Bürgerinitiative Dorfentwicklung wird in Lahnau aktiv

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Die Lahnauer Gemeindevertretung hat auf Initiative der SPD-Fraktion im November beschlossen sich um die Teilnahme am hessischen Förderprogramm Dorfentwicklung zu bewerben.

“Ziel der hessischen Dorfentwicklung ist es, die Dörfer in den ländlichen Räumen als attraktiven und lebendigen Lebensraum zu gestalten. Um die Vielfalt dörflicher Lebensformen, das bau- und kulturgeschichtliche Erbe sowie den individuellen Charakter der hessischen Dörfer zu erhalten, sollen die Innenentwicklung gestärkt, die Energieeffizienz gesteigert und der Flächenverbrauch verringert werden. Dabei sind die Bürgermitwirkung ebenso wie der Aufbau von Netzwerken zur Stärkung der Daseinsvorsorge eigenständige Programmziele. Es kommt auf alle im Dorf an!” So beschreibt es das Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Bei der gemeinsamen Sitzung des Beirats für Energie und Klima mit dem Waldbeirat im Februar stellte das von der Gemeinde beauftragte Planungsbüro den Weg zu einem kommunalen Entwicklungskonzept (KEK) vor. Dabei zeigte sich, dass die Bürgerbeteiligung zu diesem Zeitpunkt kaum ausgeprägt war, obwohl laut Konzept neben den Akteuren Gemeindevorstand und -vertretung sowie den Beiräten hierbei die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürgern beim Sammeln von Ideen, Vorstellungen, Anregungen und Impulsen ein wesentlicher Punkt ist. Würde Lahnau den Zuschlag für das Förderprogramm erhalten, bildet das KEK für 6,5 Jahre die Grundlage sämtlicher Dorfentwicklungsmaßnahmen. Gefördert werden sowohl private als auch öffentliche Projekte.

Die Gemeinde Lahnau setzt bei Beteiligung der BürgerInnen komplett auf Digitalisierung. Auf der Homepage der Gemeinde gibt es die Möglichkeit, Vorschläge einzureichen. Entweder über den „Mängelmelder“ oder das eigens dafür eingerichtete Tool. Informationen zur Förderrichtlinie und was demnach überhaupt an Vorschlägen erfragt werden soll, wurden dort erst nach Hinweisen aus der Bevölkerung ergänzt. Auch erhält man, im Gegensatz zu allen anderen Themenbereich im “Mängelmelder” keinen Einblick, welche Vorschläge bereits eingebracht wurden. BürgerInnen, die nicht digital geschult sind bzw. über das entsprechende Endgerät verfügen, sind weitgehend außen vor. Die Information aus dem Rathaus, dass bisher 29 Vorschläge eingegangen seien, lässt auf eine geringe Beteiligung und fehlende Information der Bürgerschaft schließen. Zumal 17 dieser Vorschläge nachweißlich auf das Konto der Mitglieder der neu fomierten Bürgerinitiative gehen.

In ihr haben sich Interessierte aus allen drei Ortsteilen und aus allen Altersgruppen eingebracht, weil sie die Entscheidung der Gemeindevertretung für eine Bewerbung um die Aufnahme in das Landesprogramm generell begrüßen, sich aber bei der Umsetzung der Bürgerbeteiligung nicht angesprochen fühlen. Bei der Intiative konnten LahnauerInnen mit Vorstellungen zur Dorfentwicklung auch ohne Handy oder Computer ihre Ideen einreichen. Sogar einige handschriftliche Vorschläge gingen dabei ein. Dreizehn Personen haben schließlich ein Konzept mit über 80 Vorschlägen erarbeitet, welche in transparenter Form in das Bewerbungsverfahren für die Dorfentwicklung einfließen sollen. Die hierbei aufgeführten Vorschlage sind breit aufgestellt, einfallsreich und kreativ, wie die folgenden Beispiele, die nur einen kleinen Ausschnitt abbilden, zeigen:

Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit von Gebäuden und ihrer Umgebung wurden vorgeschlagen sowie klimagerechte Anpassung von gebäudebezogenen Höfen, Stellplätzen und Gärten durch Entsiegelung und Begrünung zur Verbesserung des Mikroklimas sowie der Wohn- und Aufenthaltsqualität. Begrünte Dächer, Fassaden, Wege und Stellplätze zur Verbesserung der Biodiversität. Die Bildung thematischer Arbeitsgruppen und entsprechender Schulungsangebote. Eine lokale Freiwilligenagentur, um zum Beispiel Online-Lotsen für ältere Menschen auszubilden und deren Teilhabe zu fördern. Ein Newsletter oder kostenlose “Lahnau-Nachrichten” könnte interessierte BürgerInnen informieren. Eine Willkommenskultur für neu Zugezogene und Neugeborene. Auch konkrete Beispiele werden angesprochen: So wird die Umgestaltung öffentlicher Plätze mit Grünflächen und Baumanpflanzungen, die Aufstellung von Bänken und die Erhaltung markanter Fachwerkgebäude vorgeschlagen. Eine Gestaltung der Wiesenfläche in Dorlar an der Waldgirmeser Straße gegenüber der Tankstelle ist angedacht, um für Jugendliche als Treffpunkt zu dienen. Zentraler Punkt ist zudem die Erstellung und Umsetzung eines neuen Nutzungskonzeptes für das Heimatmuseum in Waldgirmes.

Weitere ortsübergreifende Vorschläge, wie Carsharing oder die Unterstützung bei der Bildung von Nachbarschaftsgärten, Gemeinschaftsgärten, interkulturellen Gärten z.B. durch Ankauf und zur Verfügung stellen von geeigneten Flächen, sind ebenso enthalten.

Wichtig sind den Beteiligten auch Begegnungsräume und kulturelle Mittelpunkte. All diese Vorschläge dienen dem Zweck, funktionale Ortskerne, weiterentwickelte Baukultur und Lebensqualität zu schaffen.

Diese umfangreiche und vielfältige Ideensammlung wurde nun von einigen der Beteiligten (Foto v.l.n.r.: Wolfgang Hill, Barbara Zimmermann, Sabine Köhnlein, Reinhard Wenzel und Mirjam Fiedler) an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung, Christian Walendsius, überreicht, um ein deutliches Zeichen für Bürgerbeteiligung zu setzen. Walendsius wird das Schreiben auf dem Dienstweg an den antragsberechtigten Gemeindevorstand weiterleiten, damit sichergestellt ist, dass die Ergebnisse dieses Bürgerengagements in das KEK einfließen können.