Bildung, Teilhabe, Motivation: 40 Jahre Tagesförderstätten der Lebenshilfe Gießen – Individuelle Angebote und Sozialraumorientierung sind der Motor für Innovationen

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Die persönlichen Interessen und Neigungen der Beschäftigten spielen in den Tagesförderstätten der Lebenshilfe Gießen eine wichtige Rolle.

Pohlheim/Kreis Giessen (-). Die Lebenshilfe Gießen freute sich im Oktober über das 40-jährige Jubiläum ihrer Tagesförderstätten. Aktuell begleiten die Tagesförderstätten 106 Menschen mit Behinderung an vier Standorten in Gießen, Pohlheim-Garbenteich, Lollar und Kleinlinden. Die Angebote richten sich an erwachsene Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, die nicht in Werkstätten für Menschen mit Behinderung arbeiten können. Ein inklusiver Ansatz für mehr gesellschaftliche Teilhabe und Gleichberechtigung steht hierbei im Fokus.

Anfangs waren die Angebote der Tagesförderstätten auf Förderung von Basis-Fähigkeiten ausgerichtet. Im Laufe der 90er Jahre änderte sich die Blickrichtung bei der Förderung. Die persönliche Neigung der Beschäftigten gewann an Bedeutung. Auch wenn ein Übergang in den Werkstattbereich der Lebenshilfe für die meisten Tagesförderstätten -Beschäftigten nicht möglich ist, entwickelte die Lebenshilfe Arbeitsangebote. So gibt es beispielsweise Hauswirtschafts-, Wäsche- und Gartengruppen. Einen weiteren Schub erhielten die personenzentrierten Angebote seit 2017 durch die Einführung des Bundesteilhabegesetzes. „Der Sozialraum wird für unsere Arbeit immer wichtiger. Wir suchen für unsere Beschäftigten Nischenarbeitsplätze in der Umgebung. Die meisten gehen gerne raus, freuen sich darüber, etwas anderes zu sehen und in Kontakt mit anderen zu sein. Wir betrachten uns dabei als Assistenten, die diesen Kontakt ermöglichen“, beschreibt Karin Reuther, Leitung der Tagesförderstätten, den Ansatz der Förderung. Die Tagesförderstätten bieten vielfältige unentgeltliche Dienstleistungen an, wie z. B. Plakate aufhängen, Flyer verteilen, Autowäsche, Entsorgung von Kartonagen, Reparatur-Service für Fahrräder.

Franziska Malleh beim Schleifen von Regalbrettern in der Holzwerkstatt.

Neue Beschäftigte durchlaufen zunächst für maximal drei Jahre den Eingangsbereich der Tagesförderstätten. Hier wird genau geprüft, welche Fähigkeiten, Bedürfnisse und Vorlieben sie haben. Danach wird entschieden, an welchen Standort die Beschäftigten nach der Eingangsphase wechseln. Gabriele Gebhardt, Fabian Gottwalz und David Brown sind als pädagogisches Team des Eingangsbereichs immer auf der Suche nach neuen Aufgabenfeldern. „Seit einigen Jahren reinigen wir mit unseren Beschäftigten die Fahrzeuge der Lebenshilfe in einer Autowaschanlage im Schiffenberger Tal. Diese Dienstleistung wird hochgeschätzt – und macht unseren Beschäftigten sehr viel Spaß“, erzählt Gebhardt.

„Wir sind ständig auf der Suche nach Innovationen, die unseren Beschäftigten eine sinnvolle und befriedigende Arbeit ermöglichen“

Die Vernetzung mit anderen Tagesförderstätten erzeugt neben Verbundenheit mit dem Sozialunternehmen auch Synergien. So werden im Eingangsbereich und der Tagesförderstätte Lollar beispielsweise Eierkartons bemalt, die anschließend in der Einrichtung in Lollar mit Eiern gefüllt und an Kunden ausgefahren werden. Jeder Eierkarton ist ein Unikat und erfreut die Kunden. „Wir sind ständig auf der Suche nach Innovationen, die unseren Beschäftigten eine sinnvolle und befriedigende Arbeit ermöglichen“, erklärt Fabian Gottwalz. Aktuell stehe die Herstellung von Regalen aus Europaletten bei den Beschäftigten hoch im Kurs. Diese Arbeiten können in der hauseigenen Holzwerkstatt durchgeführt werden.

Gina Rohleder gestaltet Eierkartons farbig, die danach in der Tagesförderstelle Lollar mit Eiern gefüllt werden.

Die Tagesförderstätten wollen sich künftig noch stärker am Sozialraum orientieren. Deswegen eröffnet die Lebenshilfe Gießen Anfang 2022 den Begegnungsladen „Plus-Punkt“ in der Sonnenstraße – im Herzen der Innenstadt. Die Vielfalt der Produkte aus Werk- und Tagesförderstätten der Lebenshilfe Gießen werden in einem Laden von acht Beschäftigten der Tagesförderstätten angeboten. „Das ist ein weiterer Meilenstein zu mehr Inklusion im Sozialraum – und damit eine konsequente Weiterentwicklung in der 40-jährigen Geschichte unserer Tagesförderstätten“, bekräftigt Karin Reuther.

Weitere Informationen unter www.lebenshilfe-giessen.de.

Anne Kauss wird beim “Flamen” eines Regals von Fabian Gottwalz unterstützt. Das Regal erhält eine trendige Oberfläche und wird im Moment für den Eigenbedarf gefertigt.
Lebenshilfe Gießen
Die Lebenshilfe Gießen e.V. ist ein gemeinnütziges Unternehmen und begleitet über 3000 Menschen mit und ohne Behinderung in ein selbstbestimmtes Leben.