Ausgelesen: 3 historische Wien-Krimis

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Das Buch des Totengräbers“ von Oliver Pötzsch. – Wien 1893. Leopold von Hertzfeld tritt nach einem Skandal in seiner Heimat Graz eine neue Stelle im Wiener Sicherheitsbüro an. Gleich am ersten Tag vergrätzt er die altgedienten Kollegen mit modernen Tatortanalysen bei der Untersuchung der brutalen Ermordung einer Dienstmagd. Obwohl er von seinem Vorgesetzten zurückgepfiffen wird und sich dem vermeintlichen Selbstmord eines (fiktiven) Bruders von Johann Strauss widmen soll, lässt sich Leo nicht aufhalten. Als weitere getötete Frauen gefunden werden, wird er von Augustin Rothmayer, dem Totengräber des Zentralfriedhofs, und der Polizeimitarbeiterin Julia Wolf bei seinen Recherchen unterstützt.

Eine hervorragend geschriebene Milieuschilderung der k.u.k.-Hauptstadt Ende des 19. Jahrhunderts. Hierarchien, Antisemitismus, den Leo am eigenen Leibe in seiner Dienststelle erfährt, das Straßenleben, die Kneipen, Bordelle, der Prater – man fühlt sich mittendrin. Die den Kapitel vorangestellten „Auszüge“ aus dem Buch, das der Totengräber schreibt, sind allerdings nichts für Zartbesaitete. Gerne will ich mehr mit diesen Protagonisten lesen. Teil 2 „Das Mädchen und der Totengräber“ ist bereits erschienen. Demnächst.

Die Totenärztin – Goldene Rache“ von René Anour. – Wien 1908. Im 2. Teil der Reihe um die Gerichtsmedizinerin Dr. Fanny Goldmann ist die junge Frau auf der Suche nach ihrer spurlos verschwundenen Freundin Tilde, hinter deren Entführung zweifelsohne der undurchsichtige Graf Waidring steckt. Ihm soll sie Bericht erstatten über die Untersuchungen an gewissen Leichen, die in der nächsten Zeit in der Pathologie eingehen. Warum? Und was hat der Maler Gustav Klimt und sein berühmtes Bild „Der Kuss“ mit allem zu tun. Letzteres sehr wenig und zudem wirkt dieser Erzählstrang recht konstruiert. Ansonsten ist der Roman spannend und unterhaltsam. Leichte Unterhaltung garniert mit medizinischem Fachwissen und Wiener Zeitgeschichte. Kann man lesen, aber besser ist es, mit dem Vorgänger-Roman „Die Totenärztin – Wiener Blut“ zu beginnen, um die Hintergründe der Geschichte zu verstehen. Im September wird Teil 3 „Die Totenärztin – Donaunebel“ erscheinen. Ich bin dabei.

Der letzte Tod“ von Alex Beer. – Wien 1922 und der 5. Teil der sehr guten historischen Krimi-Reihe um Inspektor August Emmerich und seinen jungen Kollegen Ferdinand Winter. Während die Inflation ihrem Höhepunkt entgegen geht, der Unterschied zwischen Reich und Arm immer größer wird, jagen die beiden Polizisten einen perfiden Serienmörder. Der steckt seine Opfer in enge Behältnisse und lässt sie ein grausames Ende finden. Zudem taucht ein alter Feind aus Emmerichs Vergangenheit auf, Xaver Koch, der nach einem missglückten Mordanschlag auf den Ermittler nach Budapest flieht. Dort findet er zwar nicht den Geflüchteten, jedoch Hinweise zum länderübergreifend mordenden Serienkiller. Sozusagen der Beginn von Interpol.

Wieder ein ausgezeichnet geschriebener und sorgfältig recherchierter Roman der österreichischen Autorin, die uns Lesern neben der Arbeit der Kripo vor allem das Wien der Nach(-Erster-Welt-)Kriegszeit greifbar macht: Aufmärsche und gewaltsame Proteste, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie. Den Ermittlern für kurze Zeit zugeteilt ist der Psychoanalytiker Sándor Adler, den Emmerich schnell gerne wieder los wäre, da er für dessen Sicht auf Verbrecher wenig übrig hat.

Ein Cliffhanger am Romanende schürt die Erwartung auf den nächsten Band der Serie.