Rund 5 Millionen Euro “Miese” beim Pohlheimer Haushalt – Bürgermeister Andreas Ruck in der Kritik

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Bürgermeister Andreas Ruck und die "Pohlheimer Ampel" blicken auf eisige Zeiten in der Limestadt, Steuererhöhungen werden bereits offen diskutiert. (Bild von Stefan Schweihofer auf Pixabay)

Die Liste der durch Bürgermeister Ruck und die Pohlheimer Ampelregierung weiterhin unerledigten Punkte wird gefühlt von Tag zu Tag länger, als dass sie durch Abarbeiten verkürzt wird. Verzögerungen sind dabei mehr die Regel als die Ausnahme. Die von CDU, FDP, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie SPD beschlossenen Sperrvermerke für diverse Projekte, dass eine Freigabe von Finanzmitteln erst nach Vorlage von Fakten in der Stadtverordnetenversammlung erfolgen wird, sollten dem amtsmüde wirkenden Bürgermeister zum Nachdenken anregen.

Andreas Schuch, Fraktionsvorsitzender der FREIE WÄHLER
Andreas Schuch (Fraktionsvorsitzender)

 

Andreas Schuch, Fraktionsvorsitzender der FREIE WÄHLER in der Pohlheimer Stadtverordnetenversammlung, ging darauf in seiner Rede zum Haushalt 2024 ein und beleuchtete neben der prekären Finanzsituation der Stadt am Limes weitere wichtige Bereiche wie die stetig zu verbessernde Kinderbetreuung, das sanierungsbedürftige Hallenbad, die bisher vernachlässigten Klimaziele, die unerfüllten Wünsche nach Bauland in Pohlheim Süd sowie mahnende Worte an Bürgermeister Ruck, der seine bisherige Arbeitsweise grundlegend überdenken sollte.

 

 

Nachfolgend der Text, der am 07. März 2024 in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung gehaltenen Haushaltsrede [Die Lesedauer beträgt ca. 6 ½ Minuten]:

 

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin Hofmann,
sehr geehrte Anwesende,

der Magistrat der Stadt Pohlheim hat zusammen mit Herrn Jürgen Triller, Frau Bianca Krieb und der Verwaltung die Haushaltsplanung für das Jahr 2024 vorgelegt. Von der Einbringung im November letzten Jahres bis zur heutigen Beschlussfassung haben sich zahlreiche Menschen aus Verwaltung und Politik intensiv mit dem Zahlenwerk von fast 300 Seiten befasst. Ich habe die damit verbundene politische Arbeit als weitestgehend konstruktiv wahrgenommen, auch wenn wir in bestimmten Bereichen konträre Ansichten haben, diese dann aber begründet vertreten. Dafür danke ich allen Beteiligten, auch im Namen der FREIE WÄHLER Fraktion.

In Vorbereitung dieser Worte habe ich mich nochmals mit den Reden zu vergangenen Haushalten auseinandergesetzt und muss festellen, dass mich die Situation um die letzten drei Haushalte in Pohlheim an den Film “Und täglich grüßt das Murmeltier” welcher in der Stadt Punxsutawney im US-Bundesstaat Pennsylvania spielt, erinnerte. Für diejenigen, die den Film nicht kennen, Bill Murray spielt darin in der Hauptrolle den Wetteransager Phil Connors, der in einer Zeitschleife fest sitzt und denselben Tag immer wieder erlebt, bis er als geläuterter Mann sein Leben fortsetzen kann. Ich frage mich, wer oder was in Pohlheim muss geläutert werden, damit wir aus der “Pohlheimer Zeitschleife” herauskommen und es im positiven Sinne weiter geht?

Der heute zur Abstimmung stehende Entwurf des Haushalts 2024 wurde vom Ursprungszustand kräftig verändert. Rund 40 Änderungsanträge wurden aus den Fraktionen gestellt, des weiteren gab es zwei umfängliche Änderungen des Haushaltsentwurfs durch den Magistrat zu insgesamt 39 Punkten.

Der Haushaltsplan für das Jahr 2024 sieht, Stand zweite Änderung des Magistrats, im Ergebnishaushalt einen negativen Saldo bei den Erträgen zu den Aufwendungen von ca. 5,3 Millionen Euro vor, was einem Fehlbedarf von rund 3,1 Millionen Euro entspricht. Der Finanzhaushalt verzeichnet einen Zahlungsmittelbedarf von ca. 6,2 Millionen Euro. Wenn uns die Zuführung von Geld aus der ordentlichen Rücklage sowie der Ausgleich über “ungebundene liquide Mittel”, also unser Bankguthaben, nicht möglich wäre, so würde uns das komplette Konstrukt, salopp gesagt, “um die Ohren fliegen”.

In Anlehnung an das Vorgenannte erachte ich die Abschaffung der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge ohne direkte Gegenfinanzierung als großen Fehler an. Wir FREIE WÄHLER Pohlheim haben die Abschaffung nachvollziehbar begründet abgelehnt und die finanziellen Auswirkungen auf die Folgehaushalte, welche nun ersichtlich werden, angemahnt.

Der Gesamtbetrag der Kredite, deren Aufnahme in diesem Jahr zur Finanzierung von Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen erforderlich ist, beläuft sich bislang auf 6 Millionen Euro. Hierbei ist zu bedenken, dass damit Zinsleistungen verbunden sind, die die Stadt künftig erwirtschaften und erbringen muss.

Von 2023 wurden Gelder für insgesamt 57 Maßnahmen, die nicht angefangen bzw. noch nicht umgesetzt wurden, nach 2024 übertragen. Diese übertragenen Haushaltsreste haben ein Finanzvolumen von ca. 6,7 Millionen Euro. Von diesen 57 Maßnahmen sind zwei dem Bereich der Kinderbetreuung und sechs dem Bereich der Straßensanierung zuzuordnen.

Ich frage mich ernsthaft, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung das alles überhaupt erledigen sollen, ohne dabei komplett überlastet zu werden, wenn die Umsetzung zeitnah erfolgen soll.

Eine der zukünftigen wichtigen Aufgaben ist es, wieder zu einem soliden Pohlheimer Haushalt und dem damit einhergehenden Wirtschaften zurückzukommen. Gute Lösungen müssen entwickelt und geliefert werden.

In der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses stand das Thema Hallenbad Pohlheim auf der Tagesordnung. Die Beratung hierzu war leider nicht allein von Positivem, wie dem 50-jährigen Jubiläum, das wir in diesem Jahr feiern können, geprägt. Die zukünftige finanzielle Situation um das Hallenbad wirkt besorgniserregend. Sanierungsmaßnahmen in Millionenhöhe stünden an, was in dieser Konkretheit das erste Mal öffentlich ausgesprochen wurde. Die Aussagen stimmten die Anwesenden sofort nachdenklich und zeigten mir den umgehend nötigen Handlungsbedarf auf.

Die im Ausschuss getätigte Aussage des Bürgermeisters, “erst einmal abzuwarten, bis weitere Zahlen vorliegen”, halte ich für die falsche Vorgehensweise. Der Handlungsbedarf besteht jetzt und zwar in zweifacher Hinsicht: Wir als “Politik” müssen uns zeitnah intensiv mit dem Hallenbad Pohlheim beschäftigen und dies auf der Basis der bislang vorliegenden, aber auch noch zu liefernden Fakten. Danach sollten wir eine gemeinsame Antwort auf die derzeitige und zukünftige Situation des Hallenbades formulieren und aussprechen.

Den Bürgermeister sehe ich in der Pflicht, aktiv weitere Partnern für den gemeinsamen Betrieb des Hallenbades zu gewinnen und hierbei auch den Landkreis stärker einzubinden. Das Hallenbad wird nicht nur von Pohlheimern genutzt, sondern auch von Menschen, die außerhalb der Stadt Pohlheim und sogar außerhalb des Landkreises wohnen, gut frequentiert. Es hat eine überörtliche Funktion, z.B. bei dem so wichtigen Schwimmunterricht für Kinder.

Eines der wichtigsten Themen, wenn nicht das wichtigste Thema, für uns FREIE WÄHLER ist die Gewährleistung einer guten Betreuung der Kinder in den Pohlheimer Kitas.

Die gestiegenen Kosten für die Kinderbetreuung sind ein Problem, vor dem fast alle hessischen Kommunen stehen, Pohlheim ist da keine Ausnahme. Ich vermisse hierbei die Landesregierung als verlässlichen Partner, der durch konkrete und unbürokratische Förderprogramme die nötige Unterstützung leistet.

Als Fehlentscheidung der Pohlheimer Regierung sehen wir weiterhin den Abbruch des Kita-Neubauprojektes in der Watzenborn-Steinberger Kirchstraße. Das gut geplante Projekt wäre vor mehr als einem Jahr eröffnet worden und hätte uns “Luft” bei der Betreuungssituation, vor allem bei den unter Dreijährigen, und in der Diskussion um die Planung von weiteren Kitas an anderen Standorten gegeben. Nicht zu vergessen, dass das aktuelle Gebäude der Kita “Sonnenschein” mehr als in die Jahre gekommen ist und ein Ersatzbau aus unserer Sicht längst überfällig ist.

Um als an der Pohlheimer Regierung um Bürgermeister Ruck nicht beteiligte Fraktion positiv steuernd in den Prozess einzugreifen, haben wir bereits in den Vorjahren diverse Anträge im Themenbereich der Kinderbetreuung gestellt. Unter anderem die nun hoffentlich baldige Erweiterung der Kita in Garbenteich und die schnellstmögliche Realisierung einer weiteren Kita für die Kinder des Baugebiets “Hausen Ost”.

Eine Herzensangelegenheit für uns FREIE WÄHLER ist die Einrichtung einer weiteren Naturkita-Gruppe, uns schwebt hier eine Bauernhofkita-Gruppe vor. Würde man unserem Wunsch folgen und die beschaulichen finanziellen Mittel für deren Umsetzung einstellen, so gebe es wenigstens die Hoffnung auf gesicherte zusätzliche Betreuungsplätze in der Größenordnung von einer Kita-Gruppe für das Jahr 2025.

Wir hätten gerne positive Veränderungen durch unsere Anträge zum Haushalt 2024 bewirkt, fanden dafür aber leider nicht das nötige Gehör.

Uns erscheint es sinnvoll, für die Umsetzung des noch vorzustellenden Sanierungskonzeptes für das Freibad in Holzheim bereits jetzt für das Jahr 2025 Geld einzuplanen und damit klar zum Ausdruck zu bringen, wir stehen hinter dem aktiven Verein und unserem Freibad.

Wichtig erscheint uns ebenfalls, an die Eigenentwicklung der südlichen Pohlheimer Stadtteile im Bereich der Wohnbebauung zu denken. Die Planungen für das Baugebiet “Hinter der Burg” in Grüningen sollen nicht zu den Akten gelegt, sondern weiter verfolgt werden.

Um das hochgesteckte Landkreisziel der Klimaneutralität im Jahr 2030 zu erreichen, welches auf dem Beschluss des Kreistages im September 2011 basiert, unterstützen wir die Vorhaben zum Bau von Solarparks an den Autobahnen, an Bahnlinien sowie auf Gebäuden in Form von Modellen mit Beteiligung von Bürgern.

Einen nochmaligen Appell an Bürgermeister Ruck, seine bisherige Arbeitsweise grundlegend zu überdenken, seine Kommunikationsbarrieren in der politischen Arbeit zu überwinden, mehr sachgerechte Informationen zu liefern und dadurch die Arbeit von uns Ehrenamtlichen zu erleichtern, erspare ich mir.

Die im Haupt- und Finanzausschuss sowie in der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Sperrvermerke für diverse Projekte, dass eine Freigabe von Finanzmitteln erst nach Vorlage von Fakten in der Stadtverordnetenversammlung erfolgen wird, ist den vergangenen Jahren geschuldet und angemessen. Wir FREIE WÄHLER nehmen dieses Prozedere aber auch als Auswirkung eines weiterhin bestehenden bestimmten Misstrauens gegenüber dem bisher Handelnden wahr.

Ich habe den Eindruck, dass die beiden Dezernenten Peter Alexander und Israel Be Josef den Informationsfluss verändern und ich hoffe, dass sich dadurch bestimmte “Pohlheimer Knoten” lösen werden und wir in vielen Dingen, die derzeit gefühlt ruhen, endlich vorankommen. Die nächsten Kommunalwahlen finden im Frühjahr 2026 statt, die Pohlheimer Regierung hat demnach noch knapp zwei Jahre Zeit zur Umsetzung ihrer zahlreichen unerledigten Punkte. Ein Optimist würde die Lage mit “ein ambitioniertes Ziel” beschreiben, wie sachlich orientierte Menschen die Lage benennen, überlasse ich ihnen.

Das Gesagte mag jetzt dissonant in den Ohren einiger Anwesender klingen, vielleicht nimmt die Presse das Thema auch auf und berichtet über “Tendenzen von schlechtem politischen Klima” in Pohlheim.

Die Zeit für einen kurzen Exkurs nehme ich mir und meine Worte sollen auch versöhnlich nachwirken: Unterm Strich sei gesagt, wir waren und sind bei vielen Themen nicht immer einer Meinung. Dennoch unterstelle ich aber jedem, dass wir letztendlich Entscheidungen zum Wohle der Stadt treffen wollen und Pohlheim voranbringen möchten. Viele dieser Entscheidungen sind, trotz voriger harter aber sachlicher Diskussion, fast immer einstimmig gefallen.

Diese Worte seien auch an junge Menschen gerichtet, die überlegen, sich politisch für ihre Heimat zu engagieren und dann hoffentlich auch über einen längeren Zeitraum aktiv dabeibleiben. Mir ist bewusst, dass es immer schwieriger wird, junge Menschen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, vor allem bei einer schwierigen Lage wie derzeit in Pohlheim, aber die Wichtigkeit muss jedem klar werden, denn die Kommunalpolitik stellt die “Wiege der Demokratie” dar.

Meine Fraktion und ich haben die Haushaltsberatung in diesem Jahr, mit zwei umfangreichen Änderungen des Magistrats, als stark fordernd für uns ehrenamtlich Tätige wahrgenommen. Der Pohlheimer Haushalt 2024 wirkt, wenn wir uns die Möglichkeit der Umsetzung der vielen geplanten Projekte sowie der noch aus den Vorjahren abzuarbeitenden Projekte anschauen, eher wie ein Problem, als dass er eine klare Lösung für uns aufzeigt.

Die Fraktion der FREIE WÄHLER kann der Haushaltssatzung sowie dem Investitionsprogramm für das Jahr 2024 nicht mit gutem Gewissen zustimmen und wird beides ablehnen.

1 Kommentar

  1. Danke für den sehr informativen Artikel.

    Obwohl ich als Gießener nicht mit den Einzelheiten der Pohlheimer Politik vertraut bin, war ich nach dem Lesen schlauer als vorher.

    Vor allen Dinge hat mich der offensichtlich überdurchschnittliche Einsatz einer oppositionellen Fraktion beeindruckt.

    Schon seit Jahren vertrete ich die Meinung, dass eine Fraktion, welche nicht in der Regierung steht / oder reingehen will, nicht zur Tatenlosigkeit verurteilt ist. Durch gute politische Arbeit kann jede Opposition die Parteien des herrschenden Blocke “vor sich her treiben”. Ist zwar abeitsintensiver (Bevölkerung gut und immer wieder aufklären, Kontrollgremien aufs Pferd setzen, Bürgerprotest organisieren, notfalls vor den Kadi ziehen usw.), aber im Einzelfall durchaus erfolgreich.

    Inhaltlich frage ich mich: Wahnsinn – Pohlheim 5 Millionen Schulden! Können die Verantwortlichen nicht rechnen oder wollen die nicht? Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, als in der Lokalpresse ein Bürgermeister einer (etwas kleineren) Kommune Jahr für Jahr stolz raus prosaunte: Auch in diesem Jahr hat die Kommune keine Schulden.

    Gut die Kommunen werden vom Land / Bund / Europa massiv unterfinanziert. Aber heisst das einen Schuldenberg aufzutürmen? Ich denke nicht. Ich wäre dafür, dass dann eben die ganze Kommune sagt: Wir machen keine Schulden – entweder wir bekommen genug Geld oder ihr müßt den Krempel alleine machen.

    Aber das funktioniert einfach nicht, weil – so meine These – sich die Mitglieder der Parteien des herrschenden Blockes sich durch Arbeit in den Kommunen für höhere Ehren empfehlen wollen (oder bösartiger: … sich profilieren wollen, damit sie weiter oben besser sich die Taschen voll machen können!)