Verkehrswende-Initiativen: Fahrradstraße auf dem Anlagenring braucht zuführende Achsen, gute Ausschilderung und den Start der RegioTram-Planung

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Dieser Vorschlag für Fahrradachsen vom Anlagenring in Stadtteile und zu wichtigen Institutionen wurde der Stadt Gießen von den Verkehrswende-Initiativen überreicht.

Im Juni soll es losgehen: Die inneren Spuren des Anlagenrings um die Gießener Innenstadt werden weitgehend für Autos gesperrt, so dass Fahrräder und Busse dort freie Fahrt haben. Für diese Veränderung schreiten die Detailplanungen immer weiter voran und sollen laut Stadtverwaltung demnächst der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Gießener Verkehrswende-Aktive aus unterschiedlichen Gruppen haben diese Veränderung nicht nur angestoßen, sondern seitdem auch intensiv verfolgt und begleitet. „Wir freuen uns, dass hier sehr ernsthaft an einer wirklich großen Lösung gearbeitet wird, die ein wichtiger Schritt zu einer deutlich besseren Lebensqualität und zu mehr Klimaschutz in Gießen sein kann.“ Allein schon der Platzgewinn, die Entschleunigung und der geringere Lärm wird für Grünanlagen, Geschäfte und Anlieger am Ring große Chancen bieten. Plötzlich seien nutzbare Außenbereiche da, die mit Leben gefüllt werden können. Damit das Experiment gelingt, braucht es aber zudem eine Vielzahl begleitender Maßnahmen. Diese wurden von den Verkehrswende-Aktiven der Stadt bereits konkret vorgeschlagen und dort diskutiert.

  1. Zuführende Fahrradachsen zum Anlagenring
    Eine breite Zweirichtungs-Fahrradstraße auf den Innenspuren des Anlagenrings bedeutet eine attraktive, sichere und leistungsfähige Strecke, die Ziele in und um die Innenstadt verbindet. Doch die meisten Wohngebiete, Bahnhof, Geschäfte, Schulen oder Hochschulen, Kliniken, Lahn- oder Wieseckaue liegen nicht direkt am Anlagenring. Damit viele Menschen vom Auto aufs Fahrrad umsteigen und dabei den Anlagenring als Achse gut nutzen können, braucht es Verbindungswege von der neuen Fahrradstraße zu allen Stadtteilen und den wichtigsten Einrichtungen, die viel Mobilität erzeugen. Die Verkehrswende-Aktiven begrüßen, dass auf den ebenfalls vielspurigen Abschnitten von Frankfurter und Marburger Straße bereits von Seiten der Stadt Überlegungen vorliegen. „Der Autoverkehr Richtung Innenstadt soll weniger werden – dann braucht es auch keine mehrspurigen Straße dorthin“, heißt es aus den Initiativen. So könnte jeweils eine Autospur für Fahrrad und Bus reserviert werden.
    Für weitere Fahrradachsen haben die Initiativen der Stadt einen Vorschlag überreicht. Dieser basiert auf dem umfassenden Verkehrswendeplan, jedoch wurden einige Verbindungen als besonders wichtig gekennzeichnet und sollten möglichst zeitgleich mit der Einrichtung der Fahrradstraße auf dem Anlagenring verwirklicht werden. So sollen weitere Fahrradstraßen auf ausgewählten Routen eingerichtet und die Bahnhofstraße zwischen Westanlage und Liebigstraße zur Einbahnstraße (Richtung Bahnhof) mit Fahrradspur bergab werden. „Unsere Vorschläge würden dafür sorgen, dass alle Stadtteile, der Bahnhof und wichtige Institutionen vom Anlagenring unterbrechungsfrei und sicher zu erreichen sind.“
  2. Fahrradverkehr aus der Innenstadt zum Anlagenring verlagern
    Den Verkehrswende-Aktiven ist wichtig, dass die Fahrradstraße auf dem Anlagenring auch die Situation für Fußgänger*innen verbessert. „Durch die Reduzierung des Autoverkehrs ist der Anlagenring ruhiger und einfacher zu überqueren. Zudem ist es unser Ziel, den Radverkehr in den Fußgänger*innenzonen zu reduzieren.“ Aufgrund der bislang schlechten Bedingungen für den Radverkehr würden immer wieder Radler*innen durch Seltersweg, andere eigentlich gesperrte Zonen oder auf Fußwegen fahren. Das führe regelmäßig zu Belästigungen für Fußgänger*innen. „Wir fordern eine sehr deutliche Ausschilderung, die den Fahrradverkehr auf die neue Fahrradstraße plus den beiden Achsen durch die Innenstadt umlenkt. Dann würde der Anlagenring auf diese Weise auch die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt verbessern.
  3. Fuß, Fahrrad und ÖPNV als Einheit denken
    „Für eine Verkehrswende braucht es eine gute Erreichbarkeit aller wichtigen Einrichtungen, Wohngebiete, der Innenstadt und Bahnhöfe in Gießen – und umgekehrt auch des ländlichen Raumes im Umland“, heißt es aus den Verkehrswende-Initiativen. Fuß und Fahrrad sind dabei im Nahbereich passend, aber nicht für alle Menschen und nicht bei größeren Entfernungen. Deshalb sei gleichzeitig der ÖPNV auszubauen. „Die Verdichtung des Busverkehrs und die Verbesserung der Linienführungen sind ein guter Schritt.“ Auf Dauer sei er aber nicht ausreichend, um die erforderlichen Umstiegsmengen vom Auto auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel auch auffangen zu können. „Notwendig ist der Start von Planungen für ein höherwertiges Verkehrsmittel.“ Dieses könne nur eine Straßenbahn sein, die in der Variante der Regiotram dann auch in das Umland fährt. „Straßenbahnen sind attraktiver im Fahrkomfort, schneller, können mehr Menschen transportieren und sind daher die sinnvolle Art von Elektromobilität gegenüber den weiterhin unfallträchtigen, ressourcen- und platzraubenden Autos. Zudem sind sie weitgehend barrierefrei, d.h. Kinderwagen, Rollstühle und Fahrräder finden in ihnen stufenfreie Einstiege und genügend Platz.“ Letzteres ist den Verkehrswende-Aktiven sehr wichtig. „Wir können es kaum noch ertragen, wie dreist die Autolobby Menschen mit Behinderungen instrumentalisiert, um ihre Interessen durchzusetzen. PKWs sind in der Regel überhaupt nicht barrierefrei – und Parkplätze helfen auch nicht, wenn sie nicht auf behinderte Benutzer*innen beschränkt sind.“

Die Fahrradstraße auf dem Anlagenring böte eine Riesenchance für die Stadt, wenn sie nicht isoliert umgesetzt, sondern als Auftakt zu einer durchdachten und konsequenten Veränderung genutzt wird.

 

Zur Abbildung:
Dieser Vorschlag für Fahrradachsen vom Anlagenring in Stadtteile und zu wichtigen Institutionen wurde der Stadt Gießen von den Verkehrswende-Initiativen überreicht.

1 Kommentar

  1. Danke für die Einstellung des sehr informativen Artikels.

    Als Anlieger der Goethestraße (erste Fahrradstraße in Giessen) empfehle ich eine
    “groß angelegte” Begehung der Goethestraße zwischen Südanlage und Eisenbahnübergang mit Anwohner, den Leutchen der Verkehrswende, der Verwaltung und den verantwortlichen Fraktionen des Stadtparlamentes*. Warum? Praxis geht über Alles (!!! Papier ist bekanntlich geduldig), da bekanntlich der “Teufel im Detail liegt” und (was ja beim ersten mal natürlich ist) und – um es höflich zu sagen – mit Verbesserungen bei dem schon Bestehenden “noch Luft noch oben ist” um nicht eventuell die selben Fehler anderswo in der Stadt zu wiederholen.

    * Ich halte folgenden Hinweis für nicht läppisch. In Eurem längeren Beitrag wird mit keinem Wort darauf abgestellt, wer der Verantworttliche für die schon getätigten, geplanten und in naher Zukunft umzusetzend einzelnen Massnahmen (im Rahmen eines Gesamztplanes) ist.

    Und zwar die Bevölkerung, vertreten durch ihre Vertreter im Stadtparlament. Anstatt dessen wird mehrmals im Artikel völlig ungenau und sehr nebelös von “der Stadt” gesprochen. Es gibt keine “Stadt”, wenn überhaupt gibt es nur eine städtische Verwaltung die das umzusetzen hat, was im Parlament (meist) durchgekämpft worden ist.