Die nahe Zukunft – eine Gesellschaft mit vielen Alten und wenigen Pflegekräften

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Im vorangehenden Teil wurde gezeigt, wie in naher Zukunft die Schere immer weiter sich öffnet. Einerseits die zunehmende Anzahl betagter Menschen, andererseits die schwindende Zahl an Pflegerinnen und Pflegern.

Momentan ist keine befriedigende Lösung für das schnell herankommende Problem zu sehen. Immerhin können auf kommunaler Ebene Teillösungen entwickelt werden.

Viele der alten Menschen sind noch erstaunlich lange in der Lage, ihr Leben in der eigenen Wohnung in hohem Maß selbständig zu führen. Sie benötigen keinen Pflegedienst. Aber es kann Zeiten der Krankheit geben. Die Versorgung durch den Hausarzt reicht in diesem Fall häufig nicht. Es sollte eine Gemeindeschwester oder ein Gemeindepfleger zur Verfügung stehen. So kann auf geeignete Ernährung und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden. Die verordneten Medikamente müssen besorgt werden und deren sachgerechte Einnahme gewährleistet. Vielleicht sind Blutzucker und Blutdruck zu kontrollieren, Verbandswechsel vorzunehmen. Informationen zwischen der kranken Person und dem Hausarzt müssen verlässlich ausgetauscht werden. Darüberhinaus ist das Bett aufzuschütteln, die Wohnung zu lüften und dergleichen mehr. Die kranke Person wird wieder gesund, Pflegeleistungen sind nicht mehr erforderlich. Ein permanent tätiger Pflegedienst ist bis auf weiteres nicht notwendig.

Jetzt fällt unserem Beispiel-Senior, unserer Beispiel-Seniorin allmählich das Gehen schwer. Dann sollte es Mitmenschen geben, die Einkäufe tätigen, vielleicht auch mal zusammen mit dem alten Menschen. Da ist ein tropfender Wasserhahn oder ein verstopfter Abfluss zu reparieren, die Wäschepflege zu erledigen… Den alten Menschen bei Spaziergängen begleiten, Bewegung an der frischen Luft ist wichtig, dabei kommt es auch zu sozialen Begegnungen. Diese Art von Hilfen kann ehrenamtlich organisiert werden. Das stärkt das Zusammenleben in der Gemeinde. Die Ehrenamtler sehen dann auch Alter und Schwinden der Kräfte als Teil des Lebens, der letztlich alle betrifft.

Zu den flankierenden Strukturen sollte ein Behördenlotse oder eine Behördenlotsin gehören. Anfragen, Aufforderungen aus der Verwaltung, auszufüllende Formulare erscheinen älteren Menschen oft schwierig, sie fühlen sich überfordert, sind unsicher. Ähnliches geschieht auch im Austausch mit Bank oder Sparkasse. In manchen Gemeinden haben Ruheständler, die erfahren im Umgang mit Behörden sind, die Aufgabe übernommen, Mitmenschen an dieser Stelle zu unterstützen. Sie können dann auch helfen, wenn Dinge digital zu erledigen sind, das Beispiel Meldungen für die neue Grundsteuerveranlagung ist vielen gegenwärtig. Der Behördenlotse wird eng mit der Gemeindeschwester zusammenarbeiten, denn gegebenenfalls sind Hilfen zu beantragen, zum Beispiel Wohngeld oder eben doch ein Pflegegrad.

Es ist hilfreich, wenn es Wohnungen oder Häuser gibt, die geeignet sind für Senioren-Wohngemeinschaften. In einer derartigen Wohngemeinschaft können Singles oder Paare in ihrem eigenen Bereich leben, aber andere sind nahe. Jeder hat seine Rückzugsmöglichkeit und kann selbständig entscheiden, gleichzeitig sind gegenseitige Unterstützung und Aushilfe möglich. Idealerweise liegen solche Wohnungen in der Nähe zu Ärzten, Apotheken und Einkaufsmöglichkeiten.

Eine weitere Gelegenheit bieten Mehrgenerationenimmobilien. Da liegen im Erdgeschoss Wohnungen für Betagte oder Gehbehinderte, ansonsten finden sich Wohnungen für eine bunte Mischung. Es gibt einen geschützten Innenhof, in dem die Kinder spielen und die Alten in der Sonne sitzen können, in dem man Feste feiert – ebenso einen Innenraum für gemeinsame Aktivitäten. Wenn Kommunen neue Baugebiete erschließen, müssen derartige Projekte gleich mitbedacht und in die Planung aufgenommen werden. Die Alten am allgemeinen Leben teilhaben lassen!

Bank- oder Sparkassenfilialen müssen in der Breite erhalten bleiben. Der Betrieb von Filialen ist für die Institute teuer. Doch gibt es die Möglichkeit, dass Filialen verkleinert werden, nur noch einfachere Geschäfte anbieten wie Führen von Spar-, Giro- und Tagesgeldkonten, dabei physisch aufgesucht werden können. Der frei werdende Platz kann Raum bieten für den Behördenlotsen, die Behindertenbeauftragte, das Bürgerbüro usw. Das kann der Raumnot in den Rathäusern abhelfen, die dort vielfach durch die gewachsenen Aufgaben entstanden ist.

Wir alle müssen mutig auf die Probleme schauen und dürfen nicht warten bis die Welle über unseren Köpfen zusammenschlägt. Beständig müssen wir weiterdenken und kreative Lösungen entwickeln!

Bernhard Wilhelm-Detzel (Seniorenbeirat – Vorsitzender)