Das Dilemma des klimafitten Waldes

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Das Dilemma des klimafitten Waldes

Die NABU Gruppen Horlofftal und Nonnenroth hatten am 10. Juli zu einer Wald-Exkursion im Nonnenröther Wald eingeladen. NABU Vorsitzender Heinz Weiss begrüßte den engagierten Forstwissenschaftler Thomas Ullrich und die interessierten Teilnehmer ganz herzlich.
In Zeiten, in denen der Klimawandel noch kein Thema war, sah man aus waldökologischer
Sicht ein Hauptproblem in den Fichtenmonokulturen, die zur Bereitstellung von Bauholz nach dem zweiten Weltkrieg entstanden waren. Die damit einhergehenden Kalamitäten wie Windwurf, Schnee- und Eisbruch sowie Borkenkäferschäden waren und sind seitdem ein ständiger Begleiter. In Hessen, einen von Laub- und Mischwäldern geprägten Land, lag der Anteil reiner Fichtenwälder jedoch stets unter 10 % der Waldfläche.
In der Zwischenzeit, so der Forstwissenschaftler, hat sich etwas Wesentliches verändert.
Die Welt steht am Beginn einer dramatischen Klimakrise. Im Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft auf einen Temperaturanstieg von deutlich unter 2 °C festgelegt. Ob dieses Ziel erreicht wird, ist jedoch mehr als fraglich. Daher müssen wir in unseren Raum mit den durch den Klimawandel verursachten gravierenden klimatischen Veränderungen rechnen, wie die Extremwetterlagen in den letzten Jahren bereits gezeigt haben. In Zukunft werden Trockenheit besser vertragende Baumarten in der Waldzusammensetzung an Bedeutung gewinnen. Dies sind beispielsweise Eichen- und Lindenarten, die Hainbuche, der Feldahorn, die Vogelkirsche und die seltene Elsbeere, die am Waldrand von Nonnenroth betrachtet werden konnten.
Um heute einen klimafitten Wald zu gestalten müssten wir wissen wie der Temperaturanstieg in unserem Gebiet weiter voranschreitet. Und ob er tatsächlich bei +1,5 Grad Celsius haltmacht. Ehrlich gesagt, so der Forstwissenschaftler, fehlt ihm der Optimismus dies für realistisch zu halten. Wenn die Erderwärmung aber +2, +3 Grad C oder mehr beträgt, was dann? Dann ist das heute gepflanzte ggf. ebenso falsch wie eine Fichtenmonokultur. Das ist das wahre Dilemma.
Für die Anpassungen der an den Klimawandel stehen uns in Mitteleuropa nur rund 40 heimische Baumarten zur Verfügung. Im Gegensatz dazu kommen in Nordamerika und Asien in der gleichen Klimazone rund 2000 Baumarten vor. Für diese Artenarmut mitteleuropäischer Wälder sind die Alpen verantwortlich, die in den Eiszeiten ein Ausweichen der Bäume in südlichere Länder verhinderten.
Angesichts der Klimazonenverschiebung sollte man aus Sicht des Forstexperten auch gezielte Anbauversuche mit Gastbaumarten aus trockenen Regionen wagen. Dazu zählen beispielhaft die bereits von den Römern eingeführten Esskastanien und Walnussbäume wie aber auch bewährte Arten wie die nordamerikanische Douglasie.
Stürme, Trockenheit, und Starkregen, so der Wissenschaftler, verstärken in Zukunft die Klimaextreme. Alles keine hoffnungsvollen Vorzeichen für die weitere Entwicklung unserer Wälder. Die heimische Forst- und Holzwirtschaft ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und sichert viele Arbeitsplätze, ganz abgesehen von den gigantischen Wohlfahrtsleistungen, die der Wald kostenlos täglich erbringt. Als Sauerstoffproduzent, Wasser- oder als Kohlenstoffspeicher. Er ist Heimat unzähliger Lebewesen und Ort der Regeneration und Erholung für uns Menschen. Im Laufe der Exkursion wurden viele unterschiedliche Aspekte der Waldbewirtschaftung betrachtet und wir fragen uns, so Thomas Ullrich, wie es mit unseren Wäldern weitergehen soll. Er denkt, dass es sinnvoll ist, ein breites Artenspektrum von Baumarten zu fördern. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einige dabei sein werden, welche mit verändernden Klimabedingungen zurechtkommen.
Biodiversität ist der beste Garant für Resilienz. Und gerade diese benötigen wir in Zeiten wie diesen ganz besonders.