Brandt und Scholz – die Väter der alten und neuen Berufsverbote

1244

Am 28. Januar 1972, vor 50 Jahren, führte Kanzler Brandt, SPD, der vorgab, „mehr Demokratie wagen“ zu wollen, zusammen mit den Ministerpräsidenten der Länder die Berufsverbote ein. Betroffen waren vor allem Kommunisten, aber auch Sozialdemokraten und andere Linke. Millionen Menschen wurden bespitzelt und verfolgt, tausende Verfahren durchgeführt und hunderte Lehrer, Lokführer, Postler… entlassen bzw. nicht eingestellt.

Während Betroffene bis heute um ihre Rehabilitierung und Wiedergutmachung streiten, nimmt die neue SPD-geführte Bundesregierung unter dem Deckmantel „mehr Fortschritt wagen“ zu wollen Kurs auf neue Berufsverbote. Im Koalitionsvertrag von SPD/Grüne/FDP steht auf Seite 9: „Um die Integrität des Öffentlichen Dienstes sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt werden können.“

Und auf Seite 104: »Die in anderen Bereichen bewährte Sicherheitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern weiten wir aus und stärken so die Resilienz der Sicherheitsbehörden gegen demokratiefeindliche Einflüsse.«

Da soll wohl wieder der Verfassungsschutz verstärkt aktiv werden, der in den letzten Jahren immer wieder Schlagzeilen mit seinen  Verflechtungen in die Nazi-Szene, mit Verstrickung in Terroranschläge, „Gedächtnisverlusten“, und Vertuschung machte. Der NSU-Mord an Halit Yozgat im April 2006 in einem Kasseler Internetcafe, bei dem Verfassungsschützer A. Temme anwesend war, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden. Ministerpräsident Bouffier ließ die Akten für 120 Jahre unter Verschluss versinken. Erst auf Druck der Öffentlichkeit und 134.000 Unterschriften für die Forderung nach Offenlegung reduzierte er die Frist auf 30 Jahre.

Und unter der Bouffier-Regierung durfte der Verfassungsschutz bereits vor wenigen Jahren bei Vorgesetzten eines Kommunisten im öffentlichen Dienst Auskunft über dessen „Verfassungstreue“ verlangen.

Dass diese Richtlinien keineswegs für Nazis und terroristische „Gefährder“ gemacht sind, liegt auf der Hand. Sie werden auch mit keinem Wort erwähnt. Auch zur Bekämpfung der Waffenhorter, Drohbriefeverfasser und Hassverbreiter und anderer kriminellen Machenschaften reichen Grundgesetz und die konsequente Anwendung des Strafgesetzbuchs.

Es geht auch hier wieder nicht gegen sog. „Verfassungsfeinde“, sondern gegen demokratischen Widerstand gegen die Politik der Ampel, die – wie ihre Vorgänger – den Interessen des Kapitals dient.

Foto: Podiumsdiskussion gegen Berufsverbote im März 1983 im DGB-Haus. Von links: Mario Berger, Axel Brück, Egon Momberger, Prof. Ridder, Burckhard Maletzki, Manfred Coppik und (nicht mehr im Bild) Jörg Fey.

4 Kommentare

  1. “Sofortige Abschaffung des Kapitalismus in der BRD…”:
    Da denke ich z.B. an die “Autonome Bande für den revolutionären Umbruch in Memmingen”. Die gibts so auch in Düsseldorf, Augsburg und sonstwo.

    Meine Meinung: Solange China, Rußland u.a. danach streben, auf Gedeih und Verderb in das kapitalistische Weltsystem integriert zu werden (siehe die Diskussion um SWIFT) und keine echte Alternative entwickeln, wird das nichts. Fragt sich natürlich, ob es überhaupt was werden kann, sofern man nicht zu Marx und Engels zurückkehrt und es mit einer “Weltrevolution” angeht.

    • Sehr geehrter Herr Wirth

      Ich kenne Ihren politischen Standort zwar nicht, aber ich möchte darauf hinweisen, dass nicht nur “Marx und Engels” in der sofortigen Abschaffung des Kapitalismus eine Überlebenschance der ganzen Menschheit gesehen haben.

      Bin zwar nicht theoretisch bewandert, aber ich entsinne mich an die Aussagen dieser Theoretiker in der Richtung (nicht wörtlich):” Entweder wir schaffen den Kapitalismus ab oder dieser schafft uns ab!” ((Kurzversion: Sozialismus oder Barberei!))

      Herr Wirth; aktuell stecken wir voll in der Klimakatastrophe. D.h. (laut Bild scheinen Sie ja älter – das dürfte dann “nur” ihre Kinder oder Enkel betreffen) konkret die Lebensgrundlage der allermeisten Menschen wird zerstört – genauer die Arm gemachten dürfen elendig verrecken und nur ein paar Zehntausende der Allerreichsten können sich auf irgendwelche Erdflecken retten, um dort unter irren technischen Aufwand zu überleben.

      Jeder “gesunde Menschenverstand” sagt, dass bei solchen Aussichten die “paar Zehntausenden” zur Seite geschoben werden (z.B. mittels der von ihnern angesprochenen “Weltrevolution”). Das tückische und tragische – wenn Sie mir nicht glauben fragen Sie Wissenschaftler – ist aber, dass die Klimakatastrophe ab einem bestimmten Punkt garnicht mehr zu stoppen ist. Dann ist es völlig egal, ob nur weit über 99 Prozent der Menschheit verrecken oder die Kapitalisten gleich mit.

      Deswegen bin ich bei dem Begriff “Weltrevolution” sehr skeptisch. Wir – alle Fraktionen der Linken – müssen jetzt lokal und national handeln. Wir haben einfach keine Zeit mehr auf koordinierte weltweite Gegenmassnahmen hin zu arbeiten.

  2. Danke Michael für den informativen Beitrag.

    Es fällt mir schwer mich bei diesem Thema kurz zu fassen.

    Ein Schmunzeln entlockte mir das beigefügte Foto. Ein Teil der Abgelichteten sind ja immer noch in Giessen bekannt. Der von mir hoch angesehenen Professor Ridder ist leider schon verstorben. Wenn die Linken einmal an der Macht sind; dürften diese Streiter für eine bessere Welt dann endlich angemessen gewürdigt werden.

    Inhaltlich möchte ich mit zwei Punkten ergänzen.

    1.
    Berufsverbote traf verstärkt die so genannte “Moskaufraktion”. Aber auch andere Unbequeme. Ich erinnere mich z.B. an Hans Roth, der kein Lehrer werden durfte. Er war in einem gewissen Sinne konsequenter. Er verlies die BRD in Richtung Frankreich und ist – trotz konkreten Rückkehrangebot in einer Tauwetterperiode der hesssichen Landesregierung – auch nicht mehr aufgetaucht.

    Die Überbetonung der Berufsverbote auf die Moskauleutchen ist zwar inhaltlich nicht gerechtfertigt, aber aus der zeitgeschichtlichen Entwicklung verständlich. Denn – und das steht nicht im Artikel – in der BRD war der Antikommunismus auch in den 70er und 80er nicht nur staatstragend, sondern ein Massenphänomen. Ich erinnere mich noch an die Sprüche auf der Gass’: Geh doch nach drüben. Warum also wurde die Neuauflage (formalrechtlich ist das falsch, aber inhaltlich richtig) der deutschen kommunistischen Partei (1968, wenn ich mich nicht irre) nach dessen Verbot 1956 zugelassen bzw. wurde nicht sofort der Antrag gestellt (das war in dem Verbotsverfahren eigentlich so festgelegt) die Neugründung als in der Tradition der KPD stehend festzustellen (was sofortige Einordnung als einer Nachfolgeorganisation nach sich gezogen hätte – also sofortige Auflösung und strafrechtliche Verfolgung der Organisatoren, Mitglieder und Sympatisanten)?
    Das war der so genannte Osthandel. Die Kapitalisten der Montanindustrie wollten einen Tauschhandel mit der Udssr abschliessen: Erdölröhren gegen geliefertes Rohöl. Dazu wurden die Charakterköpfen der Politik eingespannt; d.h. Brandt wurde nach Moskau als “oberster Handelsvertreter” geschickt.
    Und was verlangt das Politbüro der Kpdsu (nicht ganz unlogisch): Wir kommen ins Geschäft, aber unsere Leutchen in der BRD muss erlaubt werden sich in einer Partei zu organisieren.
    Was das Politbüro offensichtlich nicht richtig eingeschätzt hatte war, dass sie von diesen Leutchen vom “feinsten verarscht” wurden (Zulassung ja, aber deren Mitglieder, wenn sie in den Staatsdienst wollten, werden verfolgt). Ich wundere mich noch heute darüber, denn welche Charaktereigenschaften haben diese erfahrene Leutchen, denn den Arbeiterverrätern zu geordnet? (Verrat ist doch das Letzte …… und wer Verrat übt, dem ist Alles zuzutrauen!)

    2.
    Die bis in die heutigen Zeit dominante Geschäftsgrundlage (nicht nur auf der Bundesebene, sondern auch lokal feststellbar) unserer Gesellschaft ist nun einmal der Mangel an einer erfolgreichen Revolution in der Geschichte bzw. das Fehlen von positiven Erfahrungen im Zusammenhang mit Revolutionen; also – eng geführt – der Antikommunismus. Bei einem Vergleich mit unseren europäischen Nachbarländern wird das überdeutlich.
    Ohne Zweifel – da könnte ich zahlreiche Beipiele “aus dem Ärmel schütteln” – ist die sofortige Abschaffung des Kapitalismus in der BRD dringend erforderlich. Wie das einleiten, wenn der Antikommunismus / Furcht vor Revolutionen so weit verbreitet ist?

    Ehrlich ich kenne im Moment darauf keine Antwort.