Gelesen im August 2021 – Teil 1

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Nicht wirklich überzeugend fand ich „Monschau“ von Steffen Kopetzky. Im neuen Buch des Autors wird der Pockenausbruch in der Eifel zum Jahreswechsel 1960/61 thematisiert. Ich war an der Geschichte interessiert, da ich gewissermaßen selbst davon betroffen war. Ich MUSSTE damals eine 3. Impfung über mich ergehen lassen, denn ein Schüleraustausch mit mit einer englischen Schule stand an. Meine 1. und 2., zu jener Zeit noch Pflichtimpfung, lag schon eine Weile zurück.

Der Ingenieur eines mittelständischen Unternehmens hatte die hochansteckende Krankheit aus Indien eingeschleppt und seine Tochter angesteckt. Bis der Hausarzt erkannte, dass es sich nicht um Windpocken handelte, sondern, dass die gefährlichen Variola-Viren Verursacher der Pusteln waren, verging geraume Zeit. Wie die Eigner der Firma, die Gemeinde, die Krankenhäuser und die Ämter reagierten, lässt Vergleiche mit der derzeitigen Corona-Pandemie zu.

Obwohl die meisten der geschilderten Ereignisse historisch sind und viel damaliges Zeitgeschehen wiedergegeben wird, wie z.B. die Sturmflut in Hamburg mit Krisenmanager Helmut Schmidt oder wie die mehrteilige Fernsehserie „Das Halstuch“ die Straßen leer fegte, konnten mich die 350 Buchseiten nicht fesseln. Ich tat mich schwer damit. Vielleicht lag es am gewöhnungsbedürftigen Schreibstil mit vielen verschwurbelten, langen Schachtelsätzen, bei denen ich schon mal den Faden verlor. Die Liebesgeschichte zwischen der Unternehmertochter und dem griechischen Arzt bleibt seltsam emotionslos und der anscheinend unvermeidliche Nazihintergrund einiger Protagonisten macht die Geschichte nicht spannender. Ich habe mich durchgequält durch diesen „schönen Schmöker“, wie Literaturkritiker Denis Scheck sich dazu äußerte. Meine Meinung: weder schön, noch Schmöker, sondern trotz interessantem Sujet meist öde und eher langatmig.

Sehr viel mehr Lesegenuss hatte ich bei Teil 1 und 2 der neuen Krimireihe von Kerstin Cantz, die ebenfalls wie „Monschau“ in den frühen 1960er Jahren spielt. In „Fräulein Zeisig und der frühe Tod“ u. „Fräulein Zeisig und der amerikanische Freund“ geht es um Elke Zeisig, eine Bedienstete der WKP, der Weiblichen Kriminalpolizei in München. Die WKP war vornehmlich für Angelegenheiten zuständig, die mit Frauen, Mädchen, Jugendlichen und Kindern zu tun hatten. Gerne wäre Elke in der Mordkommission tätig, aber das war leider damals nicht möglich. Hauptkommissar Manschreck beauftragt sie in Teil 1 mit Vernehmungen im Falle eines toten Kindes. Als weitere ermordete Mädchen gefunden werden, gräbt Elke tiefer. In der Stadt kommt es derweilen tagelang zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei, später bekannt als die „Schwabinger Krawalle“, in die auch Elkes jüngerer Bruder verwickelt wird.

Im 2. Roman geht es um ein totes Baby in der Siedlung der amerikanischen Soldaten am Perlacher Forst. Die WKP ist einbezogen, weil Hinweise eingegangen waren, dass ein deutsches Pflegekind misshandelt werde. Während Elke im Umfeld der Soldaten-Frauen Befragungen durchführt, wird auf einem Acker ein erschossener afro-amerikanischer Soldat gefunden. Eifersucht? Rassismus? Drogen? Eine spannende Geschichte. Außerdem zeigt die Autorin sehr deutlich, wie schwer es in jenen Jahren Frauen bei der Polizei hatten. Um irgendwann vielleicht eine Ermittlerin à la Lena Odenthal zu werden, war es für die „Kriminalfräuleins“ ein weiter, steiniger Weg. Der anschaulich dargestellte historische Hintergrund, der Schauplatz München und der flüssig zu lesende Schreibstil machen Lust auf mehr.