Goldschmied Schönwandt in Nordeck

Aus dem Allendorfer Heimatmuseum

 

Zwei Vitrinen im Allendorfer Heimatmuseum zeigen Arbeiten aus der Gold- und Silberschmiede Schönwandt.

 

Mit einem Aufsatz aus dem Heimatbuch „Allendorf an der Lumda – Die Mitte des Tales“ von Reinhold Huttarsch erinnern wir an das Wirken von Walter und Gotthold Schönwandt.

 

„Gestalten als Aufgabe

Walter und Gotthold Schönwandt

Auf Veranlassung von Otto Erdmann, dem Gründer des Landschulheimes, und von Rudolf Koch, dem Offenbacher Schriftkünstler und Neugestalter kirchlicher Geräte, zog im Herbst 1927 der Ingenieur und Silberschmied Walter Schönwandt (1891 – 1942) aus Ebersberg/Rhön nach Nordeck, wo er im Unterhaus der Burg, dem ehemaligen Brauhaus, eine Werkstatt einrichtete. Dort konnte er auch den Schülern des Heims den sogenannten „Gildeunterricht“ erteilen, denn nachdem Erziehungsbild Erdmanns diente die manuelle Tätigkeit – hier der Umgang mit dem Werkstoff Metall – der Persönlichkeitsfindung und stellte neben anderen musischen und sportlichen Angeboten einen Ausgleich zu der reinen Wissensvermittlung der Schule dar.

 

Der bedeutende und vielseitige Künstler Rudolf Koch besuchte oft seinen Schüler und Freund Walter Schönwandt, um mit ihm die Herstellung neuer sakraler Gegenstände zu verwirklichen. Bald wurden die Arbeiten Schönwandts, fast durchweg Geräte für den kirchlichen Gebrauch, wegen ihrer handwerklichen Güte und zeitlosen Formschönheit in weiten Kreisen bekannt, und die Zahl der Mitarbeiter in der Werkstatt wuchs. 1932 errichtete der Meister hinter der Burgmauer ein eigenes Wohnhaus. Als bei einem Wettbewerb ein von ihm gestalteter Kelch den ersten Preis erzielte, der mit einer Romreise verbunden war, fuhr er nach Italien, dem klassischen Land der Künstler und Kunsthandwerker. Durch Zufall fand der Verfasser in einem illustrierten Monatsheft von 1938 einen Beitrag über „Krippen aus unserer Zeit“ und dort neben Darstellungen des Weihnachtsgeschehens aus Oberammergau, Diessen,

 

 

Dresden und Salzburg, durch diagonale Anordnung auf der Textseite optisch herausgehoben, bunte Abbildungen der Heiligen Drei Könige von Walter Schönwandt aus Nordeck. Die aus Zinn gegossenen und mit Gewändern aus kostbaren Stoffen bekleideten Figuren stammten aus einer Ausstellung des Kunstdienstes Berlin. Ohne Zweifel: Walter Schönwandt zählte zu den bedeutendsten Silberschmieden Deutschlands! Leider erklang in der 1938 „In den Haingärten“ erbauten Werkstatt nicht mehr lange das gleichmäßige „Dong-Dong“ des Treibhammers. 1942 fand der Meister als Soldat in Südfrankreich den Tod.

Sein Sohn Gotthold Schönwandt (1921 – 1976) wollte eigentlich Mathematik und Physik studieren, als er aber 1945 nach fünf Jahren Kriegsdienst aus der Gefangenschaft heimkehrte, fühlte er sich dem Erbe der Familie verpflichtet, dass er die verwaiste Werkstatt seines Vaters wieder mit dem Rhythmus der Arbeit füllte. Er war ja bereits als 15jähriger bei seinem Vater in die Lehre getreten, hatte seine Gesellenprüfung abgelegt, hatte sogar als zweimaliger Sieger im Reichsberufswettkampf ein Stipendium erhalten und das Abitur bestanden. Gewiss, die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der in wenigen Jahren mehr Kirchen geweiht wurden als in Jahrhunderten vorher, war für eine Werkstatt wie die Nordecker überaus günstig. Doch der gute Ruf verpflichtet. Es genügte nicht, bewährte Modelle einfach zu wiederholten, es mussten moderne Aussagen für sakrale und profane Gegenstände gefunden werden. Zu den klassischen Werkstoffen Silber, Messing, Tombak, Bronze, Zinn, Gold, Glas und Schmiedeeisen traten rostfreier Stahl und Kunststoffe.  Bei der Fülle der Aufträge musste 1956 die Werkstatt durch einen Anbau erweitert werden. Der ab 1948 im Landschulheim gegebene Gildeunterricht wurde trotz Überlastung noch bis 1963 aufrechterhalten.

Obwohl es schwer fällt, aus der Vielzahl hervorragender Arbeiten eine Auswahl zu treffen, so sei hier doch der Versuch gewagt, um das breit gefächerte Spektrum und die geographische Streuung vor Augen zu führen. Aus der Nordecker Werkstatt kamen: für Gießen die Turmbekrönung der Johanneskirche und des Stadtkirchturms, die Symbole über dem Eingang der Kongreßhalle, die Jugendstilleuchten im Foyer des Stadttheaters, für Marburg der Taufständer der

Elisabethenkirche, die Amtsketten der Bürgermeister von Marburg und Dillenburg, das Altarkreuz für die Karlskirche zu Kassel, der Kronleuchter der

Kreuzkirche in Bonn, das Kreuz eines eingeborenen Bischofs in Afrika, das Taufbecken einer Kirchengemeinde in Hongkong….

Dass darüber hinaus aber auch „Kleinigkeiten“, wie schmucke Anhänger, reizvolle Miniaturplastiken und heitere Taschensonnenuhren entstanden, darf als ein besonders liebenswerter Zug des Meisters nicht unerwähnt bleiben.

Überhaupt: Was macht das Wesentliche, das Einmalige der Arbeiten aus? Neben der handwerklichen Perfektion ist es vor allem das Gespür, aus einem gegebenen Werkstoff all das herauszuholen, was in ihm für die Verwirklichung einer bestimmten Idee steckt. Die Schöpfungen Gotthold Schönwandts gehören zu den Zeugnissen allerbesten Kunsthandwerks. So schrieb z.B. eine Zeitung anlässlich  der Ausstellung „Europäisches Silber“ in Hannover 1968: „Besondere Lichteffekte erzielt Gotthold Schönwandt durch seine gewisse Eckigkeit bei seinem Silbergerät. Die scharf gebrochene Linie, lineare Trennung zwischen Vor und Zurück, geben ein Spiel von Hell-Dunkel.“

Der Meister selbst äußerte sich einmal: “Es ist die Herstellungsweise, die einer Arbeit ihren Wert verleiht.“ Über Unregelmäßigkeiten und Kratzer an einem handgetriebenen Silberbecher sagte er zu einem Journalisten: „Das Erzeugnis des Handwerks ist nicht vollkommen, denn das Werk der menschlichen Hand schließt Fehler und Unregelmäßigkeiten nicht aus. Doch es gewinnt dadurch an Lebendigkeit.“ Ein Herzschlag riss den 56jährigen 1976 aus seinem Schaffen.

Dank dem gut aufeinander abgestimmten Mitarbeiterstab, allen voran Silberschmiedemeister Sepp Hubka, führte die Witwe des Verstorbenen die Firma ohne Unterbrechung weiter, und es gingen nach wie vor aus der Nordecker Werkstatt Einzel- und Serienstücke von hoher Qualität hinaus in alle

Welt.“  Leider wurde einige Jahre später die Werkstatt geschlossen.

Bei einem Besuch des Heimatmuseums können eine Anzahl Werke aus der

Gold- und Silberschmiede Schönwandt besichtigt werden.

Heimat- und Verkehrsverein Allendorf (Lumda) e.V.

Träger des Allendorfer Heimatmuseums

Kontaktdaten:

Heimat- und Verkehrsverein Allendorf (Lumda) e.V.

Telefon: 06407-5267 oder 0160-94939544

Mail: heimatverein-allendorf-lda@web.de

Heimat- und Verkehrsverein Allendorf (Lumda)
Der Heimatverein hat auch museale Abteilungen, wie die große Blechspielzeugsammlund von Reinhold Gruninger. Es finden auch in normalen Zeiten Autorenlesungen statt