Gelesen im Juli 2021

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Die Buchhändlerin“ von Ines Thorn. – Christa will nach dem 2. Weltkrieg eigentlich Germanistik studieren, doch an der Universität machen gewisse Professoren es Frauen nicht leicht. So entschließt sie sich, zunächst wie von der Mutter gewünscht, eine „Bräuteschule“ zu besuchen, um für ein Leben an Heim und Herd gerüstet zu sein, und des weiteren eröffnet sie zusammen mit ihrem Onkel Martin die während der Nazi-Zeit enteignete Buchhandlung in der Frankfurter Bergerstraße. Als der Betrieb endlich läuft, muss Martin, der viele Monate im KZ inhaftiert war und sich gerade erst einigermaßen erholt hat, wegen seiner sexuellen Ausrichtung erneut hinter Gitter. Wie Christa es schafft, die Buchhandlung zu leiten, den Menschen lange ersehnte Literatur zu vermitteln und ihre ganz persönliche Lebenssituation zu meistern, ist stilistisch gut und leicht lesbar beschrieben. Es werden sehr viele Themen angeschnitten, die jedoch meiner Meinung nach etwas zu oberflächlich behandelt werden. Der Roman hätte für mich gerne 100 bis 200 Seiten mehr haben können. Vielleicht geht die im Februar 2022 erscheinende Fortsetzung etwas mehr in die Tiefe.

Piz Palü“ von Marie Brunntaler. – Im Sommer 1957 verbringen wie jedes Jahr illustre Gäste, darunter der Schauspieler O.W.Fischer, erholsame Wochen im familieneigenen Grand-Hotel am Piz Palü in der Schweiz. Doch dieses Mal ist alles anders. Zuerst verschwinden die beiden Kinder der Hoteliersfamilie, dann geschieht auch noch ein Mord. Ein todkranker Kommissar und eine noch unerfahrene Wachtmeisterin ermitteln und lange verdrängte Familiengeheimnisse sowie verschwiegene Liebesaffären kommen ans Licht. Der Roman beginnt langsam, weil zunächst die alle Personen vorgestellt werden, aber nach den ersten Kapiteln lassen die immer dunkler erscheinenden Lebensgeschichten der Protagonisten den Leser nicht mehr los. Wahre Abgründe tun sich auf und ein Motiv für den Mord am Hotelier haben so einige. Kein Krimi trotz Mord und Polizei, sondern eine erschütternde Familientragödie.

Kastanienjahre“ von Anja Baumheier. – Das heruntergekommene, kleine Ostsee-Dorf Peleroich nahe der ehemaligen deutsch/deutschen Grenze soll 2018 abgerissen werden. Kurz davor erhält Elise, die seit 20 Jahren in Paris lebt, einen anonymen Brief, in dem ihr Aufklärung über gewisse Ereignisse in der Vergangenheit – der Unfalltod ihres Vaters Karl und das plötzliche Verschwinden von Jakob, den sie liebte – versprochen wird, wenn sie zurückkommt. Der in gutem Stil geschriebene Roman berichtet über das Leben der Einwohner des fiktiven Ortes von der Gründung der DDR bis zur Wende. Auf der einen Seite Leute, die mit Politik wenig im Sinn haben, denen man aber nicht nicht gestattet, ihr Leben so zu leben wie sie es gerne möchten, auf der anderen Seite Menschen wie der Bürgermeister, der als fanatischer Sozialist alle anderen bespitzelt und beim geringsten Anlass anzeigt. Eine interessante, sehr bewegende Zeitreise durch die Geschichte der DDR am Beispiel einfacher Dorfbewohner, die trotz aller Mühsal ihrer Heimat verbunden waren. Sehr empfehlenswert.