Die letzte Hexe

857
Gedenktafel an der ehem. fürstäbtlichen Residenz in Kempten
Gedenktafel an der ehem. fürstäbtlichen Residenz in Kempten

Ein besonders düsteres Kapitel christlich-abendländischer Kultur ist die Hexenverfolgung mit ihrem Höhepunkt zwischen 1550 und 1650. Zwischen 40.000 und 60.000 Menschen wurden hingerichtet, davon etwa 95% Frauen. Der letzte Hexenprozess mit einem Todesurteil auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands fand 1775 statt. (Die Dampfmaschine war bereits erfunden!)

Anna Maria Schwegelin, geboren 1729 in Lachen bei Memmingen entstammte der untersten Schicht damaliger Dorfbewohner. Sie wurde Magd auf wechselnden Stellen in und um Memmingen. Es gab dann eine Verlobung mit einem Kutscher, der sie jedoch nur heiraten wollte, wenn sie zum evangelischen Glauben konvertiere. Das tat sie denn auch, der Kutscher heiratete sie trotzdem nicht. In der Folge sah die Schwegelin ihre Konvertierung als einen Abfall vom Glauben und schlug sich mit Selbstvorwürfen herum. Schon in dieser Zeit äußerte sie, daß ihr der Teufel erschienen sei. Wegen Arbeitsunfähigkeit kam sie 1770 in die zu einem Armen- und Arbeitshaus umgebaute Burg Langenegg bei Martinszell im Gebiet des Fürststiftes Kempten.

Dort entwickelten sich ihre religiösen “Wahnvorstellungen” weiter und sie erzählte den Mitinsassinnen allerhand Dubioses von ihrem Bund mit dem Teufel. Eine von ihnen zeigte sie dieserhalb beim Verwalter der Einrichtung an, worauf sie nach Kempten ins Gefängnis gebracht wurde. Es kam zu einem Prozess vor dem “Freien Kaiserlichen Landgericht” des Fürststiftes Kempten. Dessen Fürstabt war zugleich geistlicher und weltlicher Regent, sowie auch oberster Gerichtsherr. Der Richter Treuchtlinger, der den Prozess führte, hatte schon eine ganze Reihe von Hexenprozessen hinter sich und verurteilte die Schwegelinwegen Teufelsbuhlschaft zum Tode durch das Schwert. Gefoltert wurde sie nicht, sie hatte ohnehin alles gestanden. Sie betonte aber immerhin, daß sie niemandem einen Schaden zugefügt hätte.

Der Fürstabt Honorius Roth von Schreckenstein war vermutlich für seine Zeit ein durchaus aufgeklärter Mensch und ließ die Dinge einfach laufen, im Glauben, es wäre so das das Beste dem Volk gegenüber. Sozusagen damaliger Populismus. Drei Tage vor der Hinrichtung kamen ihm aber doch Gewissensbisse, vermutlich auch durch Gespräche mit seinem Beichtvater, dem Pater Anton Kramer. Er ließ die Ermittlungen ernaut aufnehmen und – im Sande verlaufen. Obwohl wie üblich die Kanonenschüsse von der Hinrichtungsstätte nördlich Kemptens der Bevölkerung avisierten, dass die Hinrichtung stattgefunden habe, kam Anna Schwegelin ins Stockhaus (Gefängnis) und starb dort 1781, versehen mit den heiligen Sterbesakramenten. Erst 1995 fand man die Akten, die belegten, daß sie nicht hingerichtet wurde.

Schwegelinbrunnen vor der fürstäbtichen Residenz in Kempten
Schwegelinbrunnen vor der ehem. fürstäbtlichen Residenz
Fürstabt Honorius von Schreckenstein
Fürstabt Honorius Roth von Schreckenstein
Burgruine Langenegg bei Martinszell
Burgruine Langenegg bei Martinszell
Erläuterunstafel am Schwegelinbrunnen in Kempten
Erläuterunstafel am Schwegelinbrunnen in Kampten
Erläuterungstafel am Schwegelinbrunnen in Kempten
Erläuterungstafel am Schwegelinbrunnen in Kempten

Als letzte Hexe überhaupt gilt Anna Göldi in der Schweiz (1782 hingerichtet). Die letzte tatsächliche Hexenhinrichtung auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands fand vermutlich 1756 in Landshut statt.

Zu Anna Schwegelin wie der Hexenverfolgung insgesamt findet man natürlich wie immer viel Interessantes im Netz und Wikipedia.

Kurt Wirth
Ex-Gießener, Weltbürger, Bürgerreporter seit 2012, interessiert an Natur, Wandern, (Inlands-)Reisen, aber auch an Geschichte, Zeitgeschichte, Politik.