Als eine Mischung aus Oscar Wilde und Whoopi Goldberg hat die New Yorker Fachpresse den in seiner Heimat als „lustigster Mensch von Brooklyn“ gefeierten Justin Elizabeth Sayre bezeichnet. Sein jüngstes Stück, das die 68. Spielzeit des Gießener Keller Theatre kommende Woche Freitag, den 19. September, gebührend einleiten wird, gibt über den Titel die Prämisse programmatisch vor: „Three Little Girls Down A Well“ begleitet drei Mädchen im Alter zwischen 9 und 10 Jahren, die von Beginn der Haupthandlung an bereits in einem Brunnenschacht gefangen sind und sich zwar im Klaren darüber sind, unter welchen Umständen sie dort hinein gekommen sind, aber zu ergründen versuchen, wann genau, und warum sie nicht wieder hinausfinden. Unter der Regie von Martin P. Koob geben sich Nicole Hanel, Julie Ann Powell und Linda Krug als die titelgebenden Girls Eleanor, Libby und Marigold die Ehre, die – analog zu den Farben ihrer Kleider – mit Attributen ausgestattet sind, die sie als Funktionsträger dieses experimentellen Kammerspiels in ein dialektisches Verhältnis zueinander positionieren.
Die Hauptkammer des Brunnens, in der Libby und Marigold schlafen, angrenzend eine größere und eine kleinere Höhle, ein Wasserspeicher sowie eine Nische mit entflammbaren Materialien, in der Eleanor nächtigt – es ist ein klaustrophisches Setting, in dem sich unsere Figuren zurechtfinden müssen. Das spartanische Bühnenbild, während der Proben noch mit einem Hula-Hoop-Reifen als gedachtem Lichtkegel im Schacht, trägt dem Rechnung – und nimmt buchstäblich einen Mikrokosmos in den Fokus, der sich von gängigen narratologischen Strukturen löst und als Versuchsanordnung für ein gesellschaftliches Stimmungsbild dient. Wo ständig neue Gräben entstehen und Feindbilder gepflegt werden, ist es die Furcht vor dem Ungewissen, die uns alle eint. Finden die Mädchen trotz ihrer Gegensätze einen Ausweg aus dem gemeinsamen Schicksal? Dass erwachsene Frauen Kinder spielen, sorgt dabei für einen kurzen Anpassungsschock, doch im zeitlichen Limbo erscheint es plötzlich nicht mehr allzu abwegig, die Erfahrung mit ihrer Naivität zu konfrontieren und das Verteidigen universeller Werte dabei jenen überlassen zu wollen, die unsere Zukunft verkörpern.
Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, wie Koob und sein Schauspielerinnen-Ensemble Sayres Parabel auf die Bühne gebracht haben, der bekommt einschließlich der Premiere am 19. 9. sieben Gelegenheiten dazu (weitere Termine: 26. & 27.9., 17., 18., 24. & 25.10.). Anders als üblich besteht nach jeder Vorführung die Möglichkeit der Teilnahme an einer Publikumsdiskussion. Am Freitag, den 17. Oktober wird es zusätzlich ein Meet the Keller mit Sektempfang geben.




