In Gießen fehlen Stand Juli 2024 rund 500 Kita-Plätze. So viele Kinder haben derzeit einen gesetzlichen Anspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung, erhalten jedoch keinen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 24 Abs. 2 SGB VIII: Kinder im Alter von einem Jahr bis zum Schuleintritt haben einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege.
Noch vor wenigen Jahren begannen die meisten Kindertagesstätten erst ab einem Alter von drei Jahren mit der Betreuung. Heute ist es die Regel, dass Kitas auch Plätze für Kinder im Alter von einem bis drei Jahren anbieten. Das ist nachvollziehbar, da auch dieser Altersgruppe ein Betreuungsplatz zusteht.
Parallel dazu existieren jedoch auch selbstständige Tagespflegepersonen, umgangssprachlich als Tagesmütter bezeichnet, die nach einer umfangreichen Qualifizierung bis zu fünf Kinder im heimischen Umfeld betreuen dürfen. Für sie ist die Auslastung ihrer Plätze von zentraler Bedeutung, da sie in der Regel auf das daraus resultierende Einkommen angewiesen sind. Gleichzeitig tragen sie das unternehmerische Risiko, falls sie nicht genügend Kinder betreuen können. Ihre Vergütung ist dabei durch die jeweilige Kommune oder den zuständigen Landkreis festgelegt. Ein finanziell lukratives Modell ist dies in der Regel nicht.
Wichtig ist: Kitas dürfen die Vergabe regulärer Kindergartenplätze nicht an eine vorherige Betreuung in der Krippe (0–3 Jahre) derselben Einrichtung koppeln. Eine Bevorzugung solcher Kinder bei der Platzvergabe im klassischen Kindergartenalter ist unzulässig. Dennoch berichten Eltern wiederholt davon, dass entsprechender Druck aufgebaut wird. Um es deutlich zu sagen: Das ist rechtswidrig! Die zuständige Behörde dürfte von dieser Praxis Kenntnis haben, doch eine spürbare Reaktion bleibt bislang aus. Hier stellt sich die Frage, wessen Interessen im Vordergrund stehen und das zuständige Amt vorrangig vertritt.
Gleichzeitig beobachten viele Tagespflegepersonen mit Sorge, dass ihre Plätze zunehmend unbesetzt bleiben, ein Trend, der sich seit einiger Zeit abzeichnet. Während Kitas kaum unter diesem Problem leiden, verlieren Tagesmütter zunehmend die Planbarkeit ihres Einkommens, was den Beruf unattraktiv macht. Dabei bietet die Tagespflege ein besonderes Betreuungsangebot: kleine Gruppen, eine feste Bezugsperson, ein familiäres Umfeld.
Man könnte argumentieren: „Nicht so schlimm – es gibt ja Kitas mit U3-Angeboten, Tagesmütter braucht es nicht unbedingt.“ Doch das ist ein Irrweg. Tagespflegepersonen ergänzen das Betreuungsangebot in sinnvoller Weise und fangen Bedarfe auf, die Kitas allein nicht abdecken können. Noch ist die Situation beherrschbar – aber sie birgt das Potenzial, sich zu einem handfesten strukturellen Problem zu entwickeln.




