Die Vogelgrippe (aviäre Influenza) grassiert seit Jahren in Europa und wird durch Viren hauptsächlich über Ausscheidungen zwischen Vögeln übertragen. Hochpathogene, oft tödlich verlaufende Formen werden als Geflügelpest (HPAI) bezeichnet, die besonders Hühnervögel bedroht. Während die Vogelgrippe früher saisonal begrenzt war, hat die Massentierhaltung die Entwicklung gefährlicherer Varianten und die Zunahme der Ausbrüche befeuert. Die Krankheit bedroht inzwischen auch Säugetiere. Expert:innen warnen vor einer ernsthaften Bedrohung für den Menschen. Wird das Virus in menschlicher Obhut nachgewiesen, werden zur Eindämmung oft ganze Tierbestände getötet – eine sogenannte Keulung, die meist durch qualvolle Vergasung erfolgt.
Die Geflügelpest verschwindet nicht mehr
Die Geflügelpest (insbesondere der Subtypus H5N1) verschwindet nicht mehr und kursiert seit Oktober 2020 ganzjährig. Nach dem bislang größten Ausbruch 2016/17, bei dem über eine Million Vögel getötet wurden, bezeichnete das FLI die Saison 2021/22 als die „stärkste Epidemie überhaupt“.
- Tötungszahlen: Bis Ende 2022 wurden allein in Europa rund 50 Millionen landwirtschaftlich genutzte Vögel „gekeult“. Weltweit waren es zwischen Ende 2021 und 2022 sogar mehr als 140 Millionen.
- Globale Ausbreitung: Die Viren haben sich 2022 auf den amerikanischen Kontinent ausgebreitet (fast 80 Millionen getötete Vögel in den USA bis Ende 2023) und wurden im Oktober 2023 sogar in der Antarktis nachgewiesen. Auch unter Wildvögeln kommt es weiterhin zu Massensterben.
Massentierhaltung: Brutstätte der Epidemien
Obwohl die Medien die Geflügelpest oft als Bedrohung für die Tierindustrie darstellen, belegen Untersuchungen: Die intensive Tierhaltung ist selbst der Ursprung und ein Haupttreiber der Verbreitung gefährlicher Krankheiten.
- Ursache: Vögel in Mastbetrieben sind durch schlechte Haltungsbedingungen gestresst, geschwächt und genetisch gleichförmig, was sie extrem anfällig macht. In den riesigen Beständen können Keime schnell mutieren und gefährliche Varianten hervorbringen.
- Bestätigung: Eine UN-Task-Force, der auch WHO und WOAH angehören, nennt die landwirtschaftliche Vogelhaltung als Ursprung der aktuellen Geflügelpest (H5N1 entstand 1996 in China durch die Expansion des kommerziellen Geflügelsektors).
- Verbreitung: Neben der Ansteckung von Wildvögeln trägt vor allem der globale Handel mit Tieren und Tierprodukten sowie menschliche Aktivitäten zur Verbreitung bei. Die EFSA dokumentierte, dass 86 % der Ausbrüche in Europa zwischen März und Juni 2022 sekundär auf die Ausbreitung zwischen Betrieben zurückzuführen waren.
Leid und Tod bei Wild- und Nutzvögeln
Die Geflügelpest führt zu historisch beispiellosem Leid und Massensterben unter Vögeln, was zu „existenziell bedrohlichen Populationseinbrüchen“ bei Wildvögeln (z. B. Seevögeln, Kranichen) führt und sogar bedrohte Arten wie den Kalifornischen Kondor gefährdet. Das Virus hat Regionen wie die Galapagosinseln erreicht.
- Folgen für Nutzvögel: Vögel in menschlicher Obhut müssen bei regionalen Fällen oft wochenlang präventiv im Stall bleiben.
- Keulung: Bereits bei Verdacht auf Vogelgrippe kann der gesamte Bestand eines Betriebs (oft Tausende Tiere) vorzeitig getötet werden.
- Alternativen: Der Berliner Zoo zeigte im Winter 2022/23, dass durch intensive Tests und strenge Hygiene die Tötung von 1.200 Vögeln verhindert werden konnte.
Impfungen: Ein humanerer Weg?
Impfungen gegen die Vogelgrippe waren lange kaum vorgesehen. Erst im März 2023 machte die EU den Weg dafür frei. Seit Ende 2023 wird bereits in den Niederlanden und Frankreich geimpft, in Deutschland ist aber noch kein Impfstoff zugelassen.
- Herausforderung: Einige Länder verweigern die Einfuhr geimpfter Tiere, da diese das Virus trotz Impfung weitertragen könnten. Die Markierung des Impfstoffs (DIVA-Prinzip) bietet hier jedoch eine Lösung.
- Forschung: Es wird auch an Genom-Editing-Versuchen gearbeitet, um Hühner immun zu machen.
Gefahr für Menschen und Säugetiere
Vogelgrippeviren befallen zunehmend Säugetiere (Otter, Robben, Katzen, Kühe und Ziegen) – das Virus wurde sogar in Kuhmilch nachgewiesen. Ein Massensterben unter Nerzen 2022 deutet darauf hin, dass die Übertragung von Säugetier zu Säugetier bereits möglich sein könnte.
- Menschliche Infektionen: Menschen infizieren sich gelegentlich, meist Personen mit engem Kontakt zu Nutztieren. Die WHO verzeichnete seit 2003 über 2.800 Fälle aller Varianten, wobei fast die Hälfte der H5N1-Infizierten verstarb.
- Pandemie-Risiko: Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist noch nicht nachgewiesen. Forschende sind jedoch besorgt, da die Viren sich stetig verändern und H5N1 immer mehr Säugetierarten infiziert.
- Schlüsselrolle des Schweins: Schweine gelten als “Mischbehälter” (mixing vessel), da sie gleichzeitig Vogel- und Human-Grippeviren tragen und Gene tauschen können. So entstand die Schweinegrippe-Epidemie von 2009.
Die Abschaffung der Massentierhaltung wird als wirkungsvollste Ursachenbekämpfung gesehen, um das steigende Risiko von Zoonosen zu reduzieren.
Impfungen und Agrarwende als Lösung
Zur Bekämpfung der Geflügelpest wird die massenhafte Tötung der Tiere als problematisch angesehen. Impfungen werden als deutlich humaneres Präventionsmittel empfohlen (z. B. für Freilandgeflügel und Zootiere).
Die minimale Bedingung zur Reduzierung der Risiken (für Vögel, Tiere und Menschen) ist jedoch die Reform der landwirtschaftlichen Vogel- und Schweinehaltung gemäß dem One-Health-Ansatz:
- Forderungen: Geringere Besatzdichten, kleinere Tiergruppen, Reduzierung der Konzentration von Geflügelindustrie und gesündere Züchtungen.
- Vorteile: Eine tiergerechtere Haltung entzieht Krankheiten den Nährboden, reduziert den Antibiotikaeinsatz und fördert Artenvielfalt sowie Klimaschutz.
Um die Massentierhaltung zurückzufahren, muss der Konsum von Tierprodukten deutlich zurückgehen. Sie können dies durch die Unterstützung von Organisationen fördern, die sich für die Anhebung von Haltungsstandards und die Reduzierung von Tierprodukten einsetzen.
*Quelle: Albert-Schweitzer-Stiftung: https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/massentierhaltung-epidemien-vogelgrippe




