Der PRO BAHN Landesverband Hessen zeigt sich erfreut und überrascht, dass in der beträchtlichen Höhe mit dem Entlastungspaket II des Bundes, auch der Öffentliche Personennahverkehr deutlich unterstützt werden soll.
Die Fahrgastaktiven stellen jedoch die Frage, ob es denn wirklich klug ist, diese Mittel nur für den Zeitraum von drei Monaten in der eindimensionalen Form zu verwenden. Durch die unterschiedlichen Organisationsformen des Öffentlichen Personenverkehrs (ÖPNV), in den Bundesländern und Regionen, entstehen massive Ungerechtigkeiten. So stellt sich die konkrete Frage, für welche Strecke, für welches Gebiet solch ein 9-Euro-Ticket denn überhaupt gilt. Damit würden Fahrgäste in einem kleinräumigen Gebiet so gut wie immer einen deutlichen Nachteil haben gegenüber denen, welche für 9 Euro in einem ganzen Bundesland den ÖPNV nutzen können.
Der PRO BAHN Landesverband Hessen hätte es viel besser gefunden, die Fahrpreise im kompletten Sortiment um 10-15% zu reduzieren, somit deutlich günstiger anzubieten, vom Kurzstreckenticket bis zur Jahreskarte. Damit wären die Verkehrsverbünde und Verkehrsbetriebe schnell handlungsfähig. Zudem sollte der Zeitraum der Preissenkung deutlich länger sein als nur drei Monate. Hier wäre es wünschenswert, dies mindestens bis zum Jahresende 2022 festzulegen, so der PRO BAHN Landesvorsitzende Thomas Kraft.
Für sehr viele Menschen im geregelten Arbeitsverhältnis entstehen für die ÖPNV-Nutzung gar keine oder sehr geringe Kosten, nämlich für alle Landesbediensteten in Hessen, viele Kreis- und städtische Bedienstete, die ein kostenloses Jobticket erhalten. Auch viele Beschäftigte in größeren Betrieben erhalten ein günstiges (10 – 40 € monatlich) Jobticket für das gesamte Verbundgebiet. Nur die Menschen, die über gar kein oder ein sehr geringes Einkommen verfügen und Sozialleistungen beziehen müssen, diese müssen den vollen Preis zahlen, zu welchem sie vielfach nicht in der Lage sind.
Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales errechnete Regelbedarf für Verkehr beträgt weniger als 40 € monatlich (und dieser Satz umfasst neben dem ÖPNV und Bahnverkehr auch Fahrradzubehör, -reparatur). Bei Bedarfsgemeinschaften und Familien verringert sich der Regelsatz für Verkehr, z.B. bei Personen ab 18 Jahren, die in der Wohnung der Eltern leben, auf ca. 30 €. Das reicht gerade dafür, um dreimal im Monat eine Tageskarte für eine Distanz von 10-15 km zu kaufen.
Sinnvoller und sozial gerechter wäre es daher auch, statt für drei Monate 9 € für alle ÖPNV-Nutzer/innen anzubieten, lieber dauerhaft die Monatskarten im ÖPNV für 9 € oder zumindest maximal 30 € an alle Sozialleistungsberechtigten abzugeben.
Auch Studierende, Schülerinnen und Schüler mit ihren Semester- und Schultickets gehen leer aus, so der Stellv. Landesvorsitzende Werner Filzinger.
PRO BAHN blickt in Hessen aber auch deutlich über das Jahr hinaus. Das angekündigte Festhalten an der Schuldenbremse durch Bundesfinanzminister Lindner lässt befürchten, dass ab 2023 sowohl mit dem Stopp von Investitionen und dem Einfrieren der Höhe von Mitteln für den laufenden Betrieb zu rechnen ist, langfristig gar mit Leistungskürzungen. Die Frage, ob denn seit Jahrzehnten geforderte Investitionen in die Schiene wegen der Staatsverschuldung dann noch weitere Jahrzehnte warten müssen, welche eigentlich aktuell endlich zur Umsetzung angesagt sind, wird von den Fahrgästen gestellt werden. Die Politik muss hierauf schnellstens ehrliche Antworten geben.
Daher ist der PRO BAHN Landesverband Hessen einerseits über die gemachten Finanzzusagen erfreut, sieht jedoch die Notwendigkeit, bis 2024 die Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen von dem durch die Corona-Pandemie und das aktuelle Weltgeschehen entstandenen Mindereinnahmen zu 100% zu ersetzen und zudem ein Langfristkonzept zur Finanzierung des ÖPNV in Deutschland aufzustellen, welches keine hohen Fahrpreise, mehr Angebote von Bus und Bahn und einen Infrastrukturausbau beinhaltet, so Kraft und Filzinger abschließend.





Nachtrag: Der Lokalpresse ist zu entnehmen, dass das 9-Euro-Ticket frühestens ab Juni angeboten werden kann.
Zitat von Nicole Freeman: “Dauerhaft die Bahn zu subventionieren ist keine Lösung.”
Es ist DIE Lösung! Das Geld muss nur umgeschichtet und anders ausgegeben werden. Es gibt hierfür verschiedene sehr sinnvolle Modelle.
Das Ziel, dass der ÖPNV bundesweit ohne Ticketkosten und mit flächendeckend ordentlichen Verbindungen läuft ist mittelfristig realistisch.
Widerspruch Herr Link: Natürlich muss sehr viel Geld in den OEPNV gesteckt werden. Aber das sollte meines Erachtens keine Subventionen an private Kapitalisten sein.
Wo steckt da Sinn drin, dass die breite Masse der Mitbürger (Kapitalisten zahlen bekanntlich nur ein Bruchteil der Staatseinnahmen, da er ja kräftigst in die öffentlichen Kassen greifen “darf”) eine Dienstleistung von Kapitalisten (zumeist überteuert) finanziert, als selber die Dienstleistung durch einen Staatsbetrieb oder eine andere gesellschaftlichen Wirtschaftsbetrieb die gewünschte Dienstleistung selber zu erbringen.
Komme mir bitte keiner, dass die beiden Wege für den Bürger das selbe ergeben.
Eben nicht; Kapitalisten liefern in der Regel für sehr viel Geld (die wollen ja in erster Linie ihre taschen voll machen …) noch schlechte Dienstleistungen ab. Natürlich machen andere Wirtschaftsbetriebe auch Fehler (die auch ins Geld gehen können) aber sie unterliegen der ständigen Kontrolle des Volkes (über die Parlamente, über die von diesen bestellten Kontrollgremien etc.). Und vor allen Dingen, sie gehören dem Volk (und falls es gut läuft wird deren Gewinn in die Staatskasse (zurück) fliessen)!
“Bundesweiter Oepnv ohne Ticketkosten” – wer spricht bei der Klimakatastrophe ernsthaft dagegen? Aber – siehe oben – das dafür einzusetzende Steuergeld auch noch durch die Kassen von privaten Kapitalisten “zu jagen” halte ich für eine Dummheit, denn die werden sich bedanken und selbstverständlich “ihren Teil davon abzweigen”.
Dauerhaft die Bahn zu subventionieren ist keine Lösung. Ich finde die Begrenzung des Angebotes gut, denn so kann man besser auf die politische Lage reagieren. Die Bahn zu Privatisieren war meines erachtens ein riesen Fehler, aber Fehler sind dazu da um daraus zu lernen.
Wenn schon zitieren, dann bitte nicht aus dem Zusammenhang reissen! Die Privatisierung der Bahn hat zu Abbau von Verbindungen geführt. Meiner Meinung nach haben die neuen Bosse nur interesse am Fernverkehrt gezeigt. Die Regiobahnen wurden immer schlechter getacktet. So wurde die Bahn für den Pendler immer Unatraktiver, die Regios weniger ausgelastet und jetzt haben wir den Salat.
Zuerst ein Fundstück zum Thema: 9 Euro-Ticket
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/neun-euro-ticket-nahverkehr-101.html
Frau Freemann; es erscheint mir eigentlich egal auf welchem Weg der Mitbürger zu der Einsicht kommt; dass es (um es neumodisch zu benennen) auf der aktuellen Agenda steht, dass umgehend die Autokapitalisten gestoppt / das private Auto abgeschafft werden muss. (Begründung erspare ich mir – siehe mein ersten Kommentar). Hauptsache es geschieht.
Natürlich werden die “kleinen Leute” hauptsächlich darunter leiden (die Kapitalisten haben Hubschrauber oder die haben so viel Geld, dass sie ständig Taxi fahren können …..), aber ich erwarte von der Zivilgesellschaft und dem Staat, dass bei diesem unabänderbaren Zusammenbruch (oder wir verrecken in der Klimakatastrophe elendig) eine Alternative rechtzeitig (!!!) aufgebaut wird, welche in der Lage ist die größten Ungerechtigkeiten abzufedern. Und das kann nur der gut ausgebaute OEPNV (z.B. Frau Freemann ein Angebot in den Tagesrandlagen) sein.
Dazu können die Interessensverbände der OEPNV-Nutzern beitragen. Aber in der jetzigen politischen Situation dabei auf kleine Regelmechanismen (wie dem und dem mehr Geld geben usw.) zu setzen ist bestenfalls nostalgisch * ; eher kontraproduktiv. Die Zeiten eines friedlichen “Nebenher von Auto und OEPNV” sind vorbei! Oder anders formuliert. Wer davon ausgeht, dass es Geld für Beides gibt ist in meinen Augen ein Träumer. Warum? Wir gehen ganz schlechten Zeiten entgegen und es bedarf wenig Phantasie, dass (wenn das Auto nicht abgeschafft wird), dass dieser Staat eher in die Infrastruktur der Autokapitalisten investiert als in den flächendeckenden OEPNV.
Frau Freemann; es geht also nicht darum wie hoch und wie lange die Allgemeinheit (Steuergelder verwaltet über den Bund) den OEPNV subventioniert, sondern um eine andere Lösung des Mobilitätsproblems. Oder simpler ausgedrückt: Ist das Auto weg braucht die Allgemeinheit den OEPNV (kaum) bezuschussen, denn der finanziert sich dann von selbst. (Siehe meine Argumentation in meinem ersten Kommentar zu der Frage, ob in einem kapitalistenfreien OEPN überhaupt Zuschüsse notwendig sind.)
*
kleine Anektode: vor 3 bis 4 Jahrzehnten war ich in einem OEPNV-Verband aktiv (heute nur noch zahlendes Mitglied)
Ich war als Autogegner und ständiger OEPNV-Nutzer dazu gestoßen. Es war für mich sehr verwunderlich, welche Mitbürger sich in dem Verband zusamnmen geschlossen hatten. Es waren mit weit über 90 Prozent Bürger, welche neben ihrer Bahn-Card noch ein (öfters dickes) Auto in der Garage stehen hatten.
Damals waren – es waren politisch andere Zeiten – die Forderungen nach substanzieller Verbesserungen des OEPNV-Angebotes sicherlich fortschrittlich; aber heute? (siehe oben)
Für mich ist dies ein Beispiel, dass ehemals Fortschrittliches in (lediglich) reaktionem Verhalten umschlägt.
9,- für 3 Monate, soweit ich das verstanden habe, ist für den Nahverkehr also Bundesland gedacht. Es soll ja auch eine Entlastung der Pendler sein, die so an Bus und Bahn gewöhnt werden können und nicht um die Finanzierung der Bahn. Keine Frage, das funktioniert nur da, wo man nah am Arbeitsplatz wohnt. Wer z. B. im Vogelsberg Wohn und z. B. in Gießen oder Wetzlar arbeitet bekommt oft schon wegen der fehlenden Verbindungen probleme rechtzeitig am Arbeitsplatz zu sein. Wer nicht Stundenlang unterwegs sein kann, weil er auf die Zugverbindung oder den Bus warten muss wird weiter Auto fahren. Hier werden wohl eher die Teilzeitkräfte das Angebot nutzen.
Dauerhaft die Bahn zu subventionieren ist keine Lösung. Ich finde die Begrenzung des Angebotes gut, denn so kann man besser auf die politische Lage reagieren. Die Bahn zu Privatisieren war meines erachtens ein riesen Fehler, aber Fehler sind dazu da um daraus zu lernen.
Generell finde ich es gut, wenn ein Interessenverband zeitnahe auf politische “Bewegung” reagiert.
Aber die Forderung des Artikels stimmt hinten und vorne nicht.
Was soll die Flickschusterei mit der Hin- und Herschieberei von öffentlichen Geldern im Sektor “öffentliche Darseinsvorsorge” (hier OEPNV) zu Gunsten bzw. zu Lasten bestimmter sozialer Gruppen?
Da muss meiner Meinung nach viel genereller ran gegangen werden: Zerschlagung des Privateigentum an öffentlichen Strukturen (also neben der Oepnv, Wasser, Abwasser, Energie ……. ) durch Verstaatlichung und / oder andere Formen der Vergesellschaftung! (Übrigens ist dieses politsche Viorgehen durch unsere verfassung voll abgedeckt!)
Damit wird nicht nur für die oder jene arm gemachten Bevölkerungsgruppe der Oepnv “gangbar” (denen sei es gegönnt), da der sündhaft teure Umweg “Bezuschussung von Privaten, zwecks Angebotsaufrechterhaltung” einfach wegfällt, sondern Alle können kostenfrei das Oepnv-Angebot nutzen (weil eben der Geldsack der Kapitalisten nicht gefüttert werden muss und der bisherige staatliche “Zuschuss” für den kostenfreien Betrieb noch ausreicht). (Schöner Nebeneffekt: die Autokapitalisten – die Schuldigen an der größten Dreckschleuder namens Auto in der Geschichte – gehen pleite und wir haben vielleicht noch eine Chance dem Klimakatastrophe zu entgehen!)