50 Jahre das Buch – „Grenzen des Wachstums“

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Vorspann: Entwicklung der Weltbevölkerung von 1972 bis 2022

 

Der aktuelle Weltbevölkerungszähler – nach einem Tageszähler bei „countrymeters“ (1) – liegt bei etwa 7,956 Milliarden Menschen. Die momentane jährliche Zuwachszahl beträgt etwa 90 Millionen Menschen. Die 8te Milliarde wird also noch 2022 erwartet. Nach gleicher Quelle betrug 1972 die Bevölkerung 3.815.162.572 Menschen (andere Quelle 3.848 319). Mit anderen Worten in den letzten 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt. In dem Buch wird mit den damals (der Bericht wurde ja 1972 verfasst) bekannten Daten gearbeitet; 1970 – 3,6 Milliarden Menschen. Etwa im Jahr 2000 würde die 6 Milliardengrenze „geknackt“. Festgestellt werden konnte dann 6,13 Milliarden.

 

Da doch völlig klar ist, dass diese eine Welt eine solche Entwicklung niemals „verkraften kann“ lauten meine Fragen dazu: Ist diese Explosion irgendwie versucht worden zu stoppen? Ist dieser (gerade auch ökologische) Sprengstoff als solcher nicht erkannt worden? Habe ich irgendetwas total verschlafen?

 

Über viele Bücher wird nach 50 Jahren nicht mehr gesprochen. Über den schmalen Band „Grenzen des Wachstums!“ aber schon. Warum? Hier die Hauptpunkte:

  1. Warum schlug die Studie ein „wie ein Bombe“?

Die Antwort ist simpel: Da die Technologien für Computer Anfang der 70er-Jahre noch in den Kinderschuhen steckten waren damals wissenschaftliche Vorhersagen, welche nicht nur mit ideologischen Versatzstücken, sondern mit belastbarem Datenmaterial arbeiteten, kaum durchführbar. Erst durch die damals revolutionären neuartigen Techniken der wissenschaftlichen Systemanalyse / Computersimulation war das möglich geworden.

 

  1. Ging es auch um die neuen Inhalte?

Ja, denn der Bericht war auch hier etwas Neues, da hier Erkenntnisse verschiedener Wissenschaftsbereiche miteinander verknüpft worden sind: Prognosen über die Langzeitentwicklung der weltweit verflochtenen Probleme Industrialisierung, Bevölkerungszunahme, Unterernährung, Rohstoffverknappung und Umweltzerstörung.

  1. Wie genau waren die Vorhersagen des Berichtes?

Sofort wurde gegen diese für das politische und wirtschaftliche Establishment gefährliche Studie auf `s Schärfste von interessierten Kreisen gekämpft. Hauptangriffspunkt waren bestimmte Annahmen im Simulationsprogramm, daraufhin wurden die Computer-Simulationen „nachgeschärft“. Aber die neuen Berechnungen bestätigten im Großen und Ganzen die ersten Berechnungen. Aber die zuerst geführten Diskussion hat ihre offensichtliche Aufgabe erfüllt; die (unliebsame) Diskussionen auf Nebenschauplätzen zu führen.

Heute nach 50 Jahren können die vorhergesagten Daten aus den Prognosen mit den wirklichen Daten verglichen werden. Ich wähle dafür den in den Anfangszeiten im Vordergrund stehenden Teilbereich „Rohstoffverknappung“.

Damals wurden – auch aus den Kreisen der dogmatischen Linken – oft argumentiert, dass in den Ansätzen für die Prognosen die zu erwartenden / neu zu entdeckenden Lagerstätten der (nicht regenerierenden) Rohstoffe zu pessimistischen angesetzt worden sind. Im Bericht werden rund 20 der für die Industrie wichtigsten Rohstoffe aufgelistet. Dabei wird errechnet wie lange die Vorräten (Vorgabe: der 5fachen Mengen der bis dahin bekannten Reserven) bei den angenommenen Entwicklungen (Wirtschaftswachstum, Weltbevölkerung, Ernährungslage etcetera) reichen werden. Je nach Rohstoff wurden 1972 Zeiten zwischen 41 (Quecksilber) und 173 (Eisen) errechnet; Vorhersagen für den damals am heftigsten diskutierten Rohstoffen: Gas – 49 und Erdöl – 50 Jahre.

 

Ich persönlich finde die Vergleiche „damals – heute“ weniger spannend:

A:  Was leistete damals die Rechner? Sehr wenig; denn was die damals häusergroßen Rechner konnten, kann heute das beliebte “Spielzeug“ (Smartphone) schon seit Jahren, d.h. mehr Genauigkeit war „damals nicht drin“.

B:  Entscheidender erscheint mir, dass das Bewusstsein „wir leben in einen endlichen Welt“ bzw. „die Erde hat Grenzen“ geschärft wurden.

 

  1. Hatte der Bericht in den 70er und 80er – Jahre politische Konsequenzen?

Im gewissen Sinne stellt der Bericht so etwas wie eine Popularisierung des Ökologiethemas in vielen Ländern der Welt dar. Ins Besonders aus der „Wissenschaftsecke“ wurden zwar schon Jahre vorher gut fundierte Bedenken zu der Ausweitung des Wachstums formuliert. Aber erst die „Leute hinter der Studie“; der „Club of Rome“ (2); gelang es in den 70ern weltweite Diskussionen anzustoßen. Für etwa ein Jahrzehnt flossen die „Grenzen des Wachstums“ in vielen politischen und wirtschaftlichen Strategien ein, danach wurde es darum ruhiger. In wieweit dieser Bericht das Aufkommen der Partei „die Grünen“ vorantrieb ist in der Geschichtsforschung umstritten. Ohne diesen weit ins bürgerliche Lager hinein wirksamen und aufrüttelten Aufruf wäre die seit Gründung der BRD einmalige Neugründung wahrscheinlich nicht geglückt. (Streitet diese Partei heute noch dafür? Ansichtssache!)

  1. Hatte der Bericht „Grenzen des Wachstums“ heute politische Konsequenzen?

Das (verkürzte, aber trotzdem zutreffende) Fazit des Berichtes:

Unser Bevölkerungs- und Produktionswachstum ist ein Wachstum zum Tode.

So eine Aussage (egal, ob gut fundiert oder nicht) lähmt im ersten Moment, denn sofort kommt die Reaktion: Was kann ich bzw. was können wir dieser Entwicklung entgegen setzen?

 

Dieser Artikel kann die Probleme nur anreißen. In den Kommentarspalten kann ja weiter argumentiert werden.

 

  1. Geht es auch etwas nicht so grobschnittartig? Macht es kein Sinn, auch in die Details nachzuschauen?

Ja, aber damit dürfte der Artikel zu lang werden. Ich möchte mich deswegen auf ein Schlaglicht beschränken: Erschließung der noch unbekannten Erdölreserven in den letzten 50 Jahren.

 

(…….)  „Zunächst einmal sollte festgehalten werden, dass trotz eines gestiegenen Weltölverbrauchs die bestätigten Erdöl Reserven von 1970 bis 2020 sich nahezu verdoppelt haben. Das führt darauf zurück, dass neue Technologien zur Förderung von Erdöl entwickelt werden und damit die vorhandenen Erdöl Ressourcen in Erdöl Reserven überfließen.“  (……) Quelle:  https://energiemarie.de/energietipps/wissenswert/erdoel-reserven

 

Mit anderen Worten: Nicht (wie im Bericht angenommen) die 5fache Reserven konnten gefunden werden, sondern nur die 2fachen Mengen. D.h. aber nicht, dass die Reserven (und deshalb der Tag des weltweiten Rohstoffendes) bei dem gerade in diesem Bereich explodierenden Wachstumsraten „gestreckt werden können“.

Genau das Beispiel Erdöl zeigt, dass auch die Kapitalisten den Bericht zur Kenntnis genommen hatten / mussten.

 

Das zeigen zwei in den letzten Jahren zu beobachtenden Entwicklungen:

 

  1. Erschließung von dahin unrentablen Energiequellen

Heute ist der Anblick von Bohrinseln auf den hohen Meeren und in völlig unwirtlichen Weltgegenden (wie Gebiete mit hohen Dauerfrosttemperatoren) normal; vor 50 Jahren nur eine Aussucht von Utopisten.

 

  1. Nutzung von artverwanden Energiequellen

Fracking (mit hochgiftiger Chemie aus tiefen Erdschichten gepresstes Erdgas) wird immer öfters angewendet.

 

Beide Entwicklungen werfen einerseits massive Umweltprobleme und anderseits hohe Kosten auf.

 

Kapitalisten interessieren sich überhaupt nicht um den Umweltschutz (nur der allerkleinste Fraktion, welche an dem Umweltschutz verdienen kann) und höheren Kosten können diese Kräfte immer noch direkt auf die Konsumenten abwechseln (sodass ihre Gewinne nicht geschmälert werden).

 

An diesem Beispiel kann die Flexibilität des Kapitalismus nachgewiesen werden. Ich finde das weniger interessant, vielmehr sehe ich wegen der seit Jahrzehnten explodierenden Nutzung von Fossilien Brennstoffen auf das Klima gerade darin eine sehr folgenschwere Entwicklung. D.h. hätten sich diese Rohstoffquellen in den letzten Jahrzehnten schon erschöpft, ständen wir nicht am Anfang der Klimakatastrophe; einfach deswegen weil es „Nichts mehr zu verbrennen gibt“!

  1. Was fehlt aus heutiger Sicht im damaligen Bericht?

Industrialisierung, Bevölkerungszunahme, Unterernährung, Rohstoffverknappung und Umweltzerstörung sind 1972 im Bericht die sich gegenseitig beeinflussenden Entwicklungsstränge. Dabei kommt – aus heutiger Sicht – die Klimaerwärmung (allgemein als ein Unterpunkt des Punktes Umweltschutz angesehen) zu kurz. Ich kann nicht einschätzen, ob damals schon die Brisanz dieses Punktes unter Wissenschaftler erkannt worden ist. Meiner Meinung nach müsste die Klimaentwicklung nicht als Unterpunkt, sondern als „6. Punkt“ in die Rechenmodelle eingeführt werden. Der Studien-Auftraggeber (Club of Rome) steht heutzutage bei der Änderung des weltweiten Bewusstseins zu den Zukunftsfragen nicht mehr an vordersten Front. Das schmälert aber nicht deren Bedeutung in der Vergangenheit.

 

 

  1. Wird uns der Bericht „noch in den nächsten 50 Jahren etwas sagen“.

Da bin ich sehr skeptisch. Einfach deswegen, weil ich davon ausgehe, dass spätestens in 10 bis 20 Jahren die Klimakatastrophe voll ausgebrechen wird. Da als einzige Chance die Katastrophe zu verhindern in den nächsten Jahren schwerwiegende Eingriffe in den Kapitalismus denkbar sind, stellt sich sofort die Frage: Kann das gelingen und falls ja wer ist Träger dieser Umwälzung?

Meine Antwort: Gelingen kann Alles, wenn die Kräfteverhältnisse das zulassen. Aber ich sehe weit und breit keine machtvolle politische Kraft die den weltweit herrschenden Block der Kapitalisten beseitigen kann.

 

Ich lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen. Ich hoffe auf eine lange Kommentarliste zu diesem Artikel.

Buchinformationen

 

Die Grenzen des Wachstums; Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit; Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1973; sachbuch rororo; ISBN: 3499168251; 178 Seiten; mit vielen Tabellen und Diagrammen

Autoren: Dennis L. Meadows, Donella Meadows, Erich Zahn, Peter Milling, Eduard Pestel und andere

 

Text einer Bewerbung:

(……) „Dieser internationale Sachbuch-Bestseller hat der Umweltdiskussion eine neue Dimension verliehen. Seine Autoren, Mitarbeiter der berühmtesten westlichen Denkfabrik, des Massachusetts Institute of Technology (MIT), nutzen erstmals die neuartigen Techniken der wissenschaftlichen Systemanalyse und Computersimulation, um präzise Prognosen über die Langzeitentwicklung der weltweit verflochtenen Probleme Industrialisierung, Bevölkerungszunahme, Unterernährung, Rohstoffverknappung und Umweltzerstörung abzugeben. Ihr Fazit: Unser Bevölkerungs- und Produktionswachstum ist ein Wachstum zum Tode.“   (……)

 

Das Buch ist recht gut bei wikipedia beschrieben.  https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums

 

Als Neuausgabe ist das Buch selten im Buchhandel zu finden; aber dafür umso mehr bei den üblichen Gebrauchtbuch-Plattformen im Internet für wenig Geld (ich empfehle – www.booklooker.de).

 

((Ich habe mit Absicht darauf verzichtet eines der Fotos vom Buch aus dem Internet diesem Artikel bei zu geben. Warum? Weil die Gefahr sehr groß ist, dass du wegen angeblicher Verletzung von Kopierrechten ein Schreiben eines Rechtsanwaltes – mit hohen Geldforderungen – erhalten wirst. Sicherlich werden sich viele der älteren Leser an den von einem Halbschuh zerdrückten Erdkugel auf der Vorderseite erinnern.))

 

Als Ergänzung wird im Netz folgendes Buch empfohlen (ich habe es nicht gelesen):

 

Die neuen Grenzen des Wachstums. Die Lage der Menschheit: Bedrohung und Zukunftschancen. Aus dem Amerikanischen von Hans-Dieter Heck. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1992, ISBN 3421066264

 

Text einer Bewerbung:

(….)  „1992 erschien eine Folgestudie zum Bestseller von 1972, Die neuen Grenzen des Wachstums, in der Meadows und seine Koautoren wiederum pessimistische Analysen präsentierten, aber auch erste Anzeichen für einen Bewusstseinswandel der Menschen feststellten.“  (……)

 

(1)     https://countrymeters.info/de/World

 

(2)    Club of Rome

 

Informationen aus dem Netz:  https://de.wikipedia.org/wiki/Club_of_Rome

 

(…….)  „Der Club wurde 1968 gegründet. Die Idee stammt von dem italienischen Industriellen Aurelio Peccei, einem damaligen Mitglied der Firmenleitungen von Fiat und Olivetti und Präsident der Unternehmensberatung Italconsult, sowie dem Schotten Alexander King, Direktor für Wissenschaft, Technologie und Erziehung bei der Pariser Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Es gelang ihnen, eine Konferenz zu den Zukunftsfragen der Menschheit in der Accademia dei Lincei in Rom zu organisieren, die jedoch nicht zu dem gewünschten Erfolg führte. Nach dem Ende der Konferenz trafen sich sechs der Teilnehmer: Aurelio Peccei, Alexander King, Hugo Thiemann, Max Kohnstamm, Jean-Philippe Saint-Geours und Erich Jantsch. Die Gruppe beschloss, ihre Ideen weiter zu verfolgen, und gab sich den Namen „Club of Rome“.

1973 erhielt der Club of Rome in Frankfurt am Main den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels als bisher einzige Organisation anstelle einer Einzelperson.

Die Ziele des Club of Rome sind, die wichtigsten Zukunftsprobleme der Menschheit und des Planeten durch holistische, interdisziplinäre und langfristig ausgerichtete Forschung zu identifizieren, alternative Zukunftsszenarien und Risikoanalysen zu evaluieren, praktische Handlungsoptionen zu entwickeln und vorzuschlagen, neue Erkenntnisse und Trends gegenüber Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit zu kommunizieren und gesellschaftliche Debatten zur Verbesserung der Zukunft in Gang zu setzen. Das aktuelle Arbeitsprogramm des Club of Rome konzentriert sich auf die Themenbereiche 1) Umformulierung der Ziele und Veränderung der Funktionsweise unserer Wirtschaftssysteme; 2) Entkopplung von Wohlstandsentwicklung und Ressourcenverbrauch; und 3) Sicherung der Lebensgrundlagen und menschenwürdiger Arbeit.“ (…..)

 

Martin Wagner
Bin schon seit vielen Jahren eher als Kommentator von Fremdartikeln als eigener Artikelschreiber (da fehlt mir etwas der Stil .......) unterwegs.

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