ADFC: 94 Prozent der Autofahrenden halten sich nicht an die StVO

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Viele Autofahrende fahren ohne Grund über den Rad-Schutzstreifen in der Rodheimer Straße in Heuchelheim. Beim Überholen muss auch bei Radstreifen ein Mindestabstand von 1,50 m eingehalten werden.

Seit neun Jahren gibt es in Heuchelheim einen Radfahr-Schutzstreifen auf der Rodheimer Straße in Fahrtrichtung Gießen. Nach einer Zählung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) Gießen verstoßen 94% der Autofahrenden gegen die StVO und überfahren den Schutzstreifen ohne besonderen Grund.

Der ADFC Gießen hat an einem März-Wochenende das Verhalten von 200 Autofahrenden auf der Rodheimer Straße beobachtet. 94% verstießen während der Zählung gegen die Straßenverkehrsordnung: Sie fuhren dauerhaft oder über längere Teilstrecken mit zwei Rädern auf dem markierten Rad-Schutzstreifen, der eigentlich für Radfahrende reserviert ist. Der ADFC ist angesichts dieser hohen Quote alarmiert: Bei seiner ersten Zählung im Jahr 2017 hielten sich zumindest noch 38% der Autofahrenden an die Vorgabe, den Schutzstreifen nicht zu überfahren – jetzt sind es nur noch sechs Prozent.
„Wir möchten daher über das richtige Verhalten aufklären, um gefährliche Situationen zu verhindern. Grundsätzlich ist das Überfahren der weißen Markierung verboten, auch wenn sie gestrichelt ist“, erläutert ADFC-Vorstandsmitglied Jan Fleischhauer. „Nur im Bedarfsfall, z. B. bei der Begegnung von zwei LKWs oder von LKW und PKW darf der Streifen kurzzeitig befahren werden, wenn die übrige Fahrbahn zu schmal ist und zu dem Zeitpunkt niemand per Rad auf dem Streifen unterwegs ist.“
Auch beim Überholen von Radfahrenden sieht der ADFC Verbesserungsbedarf: Viele Autofahrende scheinen die Begrenzungslinie des Schutzstreifens als Fahrbahnrand aufzufassen und meinen, auch bei Gegenverkehr einfach überholen zu können, so lange sie links der gestrichelten Linie bleiben. Laut StVO müssen PKW beim Überholen von Radfahrenden innerorts einen Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern einhalten – außerorts sind es 2,0 Meter. „Wenn dieser Abstand bei Gegenverkehr nicht eingehalten werden kann, muss ich im Auto mit dem Überholen warten, bis kein Gegenverkehr mehr kommt“, so Fleischhauer.
Im Vergleich zu 2017 konnte der ADFC in diesem Jahr beim Überholabstand eine Verbesserung erkennen: So gab es deutlich mehr Autofahrende, die so lange hinter den Radfahrenden blieben, bis kein Gegenverkehr mehr kam und die dann erst mit großem Abstand über die Gegenfahrbahn überholten, so wie es auch vorgeschrieben ist.
Grundsätzlich begrüßt der ADFC die Einrichtung von markierten Radstreifen, denn Radfahrende werden auf diesen deutlich besser wahrgenommen als auf einem Geh- und Radweg. Radfahrende, die früher auf dem linken Gehweg der Rodheimer Straße fuhren – was inzwischen in Richtung Gießen aus Sicherheitsgründen verboten ist – wurden damals regelmäßig an den Einmündungen und Grundstücksausfahrten übersehen. Autofahrende aus den Nebenstraßen rechneten nicht mit Radfahrenden aus der vermeintlich falschen Richtung. Besonders häufig kam es früher zu gefährlichen Situationen, wenn Autos aus der Nebenstraße nach rechts abbogen und die Fahrzeugführenden nur nach links schauten und den Radfahrenden von rechts die Vorfahrt nahmen. Auf der Fahrbahn sind Radfahrende hingegen sehr gut sichtbar und sie fahren in der erwarteten Fahrtrichtung, was die Verkehrssicherheit deutlich erhöht.
Nach Ansicht des ADFCs geschehen die vielen Verstöße der Autofahrenden beim Überfahren von Schutzstreifen oft aus Unwissenheit und nicht aus böser Absicht. „Viele Autofahrende haben ihren Führerschein zu einer Zeit gemacht, als es noch keine Schutzstreifen gab.“ Hinzu komme, dass Schutzstreifen zwar schon seit 25 Jahren in der StVO vorkommen, im Landkreis bisher aber nur in Gießen und Heuchelheim verwendet werden. Oft wird sich daher am falschen Verhalten der übrigen Autofahrenden orientiert und wenn der Gegenverkehr zu weit links fährt, werden Autofahrende auf den Schutzstreifen abgedrängt. Aus Sicht des ADFC kann daher nur eine Mischung aus Aufklärung und Kontrollen eine Verbesserung bringen. Auch die Gemeinde Heuchelheim wird ihren Teil zur Aufklärung beitragen und die teilweise abgefahrenen Fahrradpiktogramm-Markierungen erneuern.

Literatur zum Thema

Das Rechtsgutachten zum Thema Überholabstand bei markierten Radverkehrsführungen von Prof. Dr. jur. Dieter Müller ist auf der Seite der Unfallforschung der Versicherer eingestellt:
https://www.udv.de/resource/blob/79404/b72b1b4bac76afabacecb6a3c647084a/86-rechtsgutachten-zu-markierten-radverkehrsfuehrung-data.pdf

2 Kommentare

  1. Wenn die Gemeinde Heuchelheim dann mal dabei ist, kann sie an den Stellen, wo der Radfahrer die Straßenseite wechseln muss, gleich noch was zur Absicherung der Radfahrer tun und die Übergänge auf der Straße deutlich markieren und Warnschilder aufstellen. Von einer Entschärfung der Gefahrenstelle zwischen Gießen und Heuchelheim, bei der Gärtnerei kann der Radfahrer allenfalls träumen.
    Heuchelheim steht immer noch im harten Wettbewerb mit Biebertal um den Titel Radfahrerhasser-Gemeinde des Kreises und liegt knapp vorne.

  2. Danke für den informativen Beitrag!!!

    Kurz zu folgendem Absatz:

    “Nach Ansicht des ADFCs geschehen die vielen Verstöße der Autofahrenden beim Überfahren von Schutzstreifen oft aus Unwissenheit und nicht aus böser Absicht.”

    Liebe Engagierte vom ADFC; wie weischgewaschen seid Ihr denn!!! Warum sagt Ihr nicht die Wahrheit bei den doch so glasklaren Prozentzahlen. Glaubt Ihr ernsthaft, dass es 94 Prozent Unwissenden gibt??? Ich behaupte dagegen, die Autofahrer sind durch die jahrtzehntelange Propaganda der Autoindustrie (fast) vollständig verdummt (oder weniger hart: sie tun zumindest so ….).

    Müssen in Giessen noch weiter Radfahrer von Autofahrern getötet werden oder wann setzen die von uns Steuerzahlern bezahlten Ordnungskräfte endlich geltendes Recht durch???

    (Wenn wir demonstrieren, da sind die “Truppen” aus Erbenheim ja auch da …..!)

    Liebe ADFCler; Euer Apelle an die Vernunft, das könnt Ihr glatt vergessen. Das ist reine Zeitverschwendung. Solange wir nicht die Autoindustrie (und deren Handlanger in Politik und Verwaltung) zerschlagen, werden – im besten Fall – besser gemachte Nebelkerzen gezündet.