Erinnerungen an dunkle Zeiten

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Foto: HuGV Frankenbach

Beim ersten Erzähl- und Frageabend des Heimat- und Geschichtsvereins Frankenbach im Dezember konnten aus Zeitmangel nicht alle Themen angesprochen werden. Deshalb kam es nun zur Fortsetzung und rund 100 Bürger:innen folgten der Einladung.

Artur Ruppert ermöglichte als Ideengeber den zweiten Teil des Erzähl- und Frageabends “Wais froiher woar” beim Heimat- und Geschichtsverein Frankenbach und dabei die Frankenbacher Ortsgeschichte mit den Themen Machtergreifung durch die NSDAP, Zweiter Weltkrieg, Fliegerangriff auf Frankenbach und Kirchengeschichte des Ortes zum Thema gemacht. Er hatte wieder Herbert Ruppert (87), Margot Schlierbach (87), Marga Schneider (84), Willi Schneider (88) und Wolfgang Waldschmidt (76) sowie diesmal noch den langjährigen Frankenbacher Pfarrer Günter Schäfer für die Teilnahme gewinnen können.

Am Podium sorgten die Zeitzeugen mit ihren persönlichen Erinnerungen dafür, dass vergangene Zeiten lebendig wurden. Artur Ruppert hatte zu Beginn die politische Entwicklung von 1928 bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 geschildert. Innerhalb von 8 Wochen zwischen Ernennung Hitlers Ende Januar 1933 zum Kanzler und Ermächtigungsgesetz, gegen das im Reichstag nur die Sozialdemokraten stimmten, wurde aus der Demokratie der Weimarer Republik die Diktatur des NS-Staates. Artur Ruppert zeigte anhand von Unterlagen, dass die Wähler:innen aus vier sozialdemokratischen Familien in Frankenbach bei der Wahl im März vom Bürgermeister durch gekennzeichnete Wahlscheine als “Vaterlandsverräter” diffamiert und nach Wetzlar zum NSDAP-Kreisleiter gemeldet wurden.

Die Schilderung der Erlebnisse von Not, Tod, Zerstörung und familiärem Leid der Familien im Zweiten Weltkrieg folgte. Herbert Ruppert erlebte den Krieg als Kind. “Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an diese Zeit denke. Der Krieg hat nichts Gutes gebracht. Drei Brüder meines Vaters und ein Schwager sind in Russland geblieben”, erinnerte er sich und appellierte: “Überlegt euch, was ihr heute wählt, wenn ihr zur Wahl geht.” Jeder habe sich damals sehr vorsichtig verhalten. Menschen wurden zudem durch die Propaganda manipuliert. Juden waren bei der Nahrungsmittelzuteilung benachteiligt und mussten einen gelben “Judenstern” tragen. Artur Rupperts Vater war ebenfalls in Russland gefallen. Auch in Frankenbach wurden Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft eingesetzt.

Die Mutter von Günter Schäfer war mit vier Geschwistern vor den Russen geflohen. Die Zeitzeugen berichteten, dass in den Dörfern die Menschen weniger Hunger litten, weil sie Ziege, Kuh oder Schwein im Stall oder Keller hatten, aber in den Städten herrschte Hungersnot. Gegen Ende des Krieges wurden 14 bis 18-Jährige an Waffen ausgebildet. “Die Zweifel am Endsieg wurden lauter, man durfte es aber nicht sagen”, berichteten die Zeitzeug:innen.

Ein weiteres Thema war der Fliegerangriff auf durch Frankenbach ziehende Wehrmachtseinheiten am 27. März 1945. Sechs tote Zivilisten waren zu beklagen. Willi Schneider berichtete, wie es war, als die Flugzeuge kamen. “Ich träume noch bis heute manchmal davon, wie die Flieger angriffen.” Nach dem verlorenen Krieg kamen viele Heimatvertriebene auch nach Frankenbach. Günter Schäfer wies auf die Spät-Traumata des Krieges hin, die sich bei Menschen zeigten und auf Kriegserfahrungen in der Kindheit basierten. “Viele kehrten nicht mehr zurück, es gab Millionen Vertriebene, 60 Millionen Tote, davon sechs Millionen Juden”, erläuterte Artur Ruppert und zitierte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: “Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.”

Abschließendes Thema war die Frankenbacher Kirchengeschichte. Artur Ruppert skizzierte die Entstehung der Freien evangelischen Gemeinde und ihre Geschichte. Sie entstand in den 1880er Jahren, weil “in der Gemeinde eine große Unwissenheit und Unkenntnis in christlichen und kirchlichen Dingen herrschte.” Zunächst traf man sich bei Schreiner Christian Wack. Dieser hatte 1884 Verbindung zur Neukirchner Mission aufgenommen. 1905 baute die Gemeinde ein eigenes Haus. Günter Schäfer: “Am Anfang meiner 33-jährigen Zeit als Pfarrer hier in Frankenbach gab es große Spannungsverhältnisse.” Doch seit Mitte der 2000er Jahre ging man, auch durch die Aktion “Damit die Glocken wieder läuten” (Sanierung des Dachstuhles der Kirche), aufeinander zu, traf sich mit Kirchenvorstand und Gemeindeleitung der Freien evangelischen Gemeinde zur Aussprache und zu Sitzungen. Ergebnis waren gemeinsame Aktivitäten wie das “Kerzen anzünden” im Advent, das gemeinsame große Grillfest auf der Familienwiese und gemeinsame Gottesdienste am Buß- und Bettag. Kurzvideos, die Artur Ruppert zusammengestellt hatte, dokumentierten die Zusammenarbeit der FeG und der Ev. Kirchengemeinde.

Vorsitzender Thomas Prochazka dankte Artur Ruppert, den Zeitzeug:innen, den Helfern des HuGV und allen, die Publikumsbeiträge einbrachten.