Haus der Zünfte – im Herzen der Altstadt von Grünberg.

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Seitdem wir in Grünberg, Mitte `20 im Schwedendorf wohnen, hatten wir schon länger vor, das mittelalterliche Fachwerkhaus in der Judengasse 5, wo das Grünberger >Haus der Zünfte< beheimatet ist, zu besuchen. Nun war es kürzlich soweit. Durch die unkonventionelle Art der Präsentation der verschiedenen Handwerker und deren Werkzeuge und Einrichtungen avancierte das Grünberger Haus der Zünfte schnell zu einem Kleinod der Handwerkerkunst. Davon konnten wir uns bei unserem Rundgang ein Bild machen, und es wurde uns bewußt, mit welchem Aufwand die Handwerker ihre Produkte hergestellt haben, kein Vergleich mehr mit der heutigen industriellen Fertigung. 

Das Haus der Zünfte

Das mittelalterliche Fachwerkhaus in der Judengasse 5 stammt aus dem Jahre 1530 und ist eines der ältesten Häuser in Grünberg. Im Jahre 2006 bis 2008 wurde das Gebäude umfassend saniert. Danach übernahm der Verkehrsverein 1896 e.V. die Verantwortung für die Inneneinrichtung und nutzt es seitdem als Haus der Zünfte.

Die alte Schmiede

Die Tradition der Familie Weber als Schmiede lässt sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Der letzte aktive Schmied war Christian Karl Weber, der die Schmiede noch bis in das Jahr 1967 in Betrieb hatte. Die Werkstatt ist noch im Originalzustand. Die Schmiede wurde im Jahre 1996 von der Stadt Grünberg angekauft und 1997 mit Unterstützung des Verkehrsvereins der Öffentlichkeit zugängig gemacht. Der hintere an die Schmiede grenzende Raum war der ehemalige Hufbeschlagraum und Werkstatt für landwirtschaftliche Geräte. Heute befindet sich dort ein alter Webstuhl aus dem 17. Jahrhundert. Er erinnert an das einst in Grünberg blühende Textilgewerbe.

Grünberger Handwerkszünfte

Begünstigt durch Lage an der Handelsstraße durch die  >Kurzen Hessen< gab es in Grünberg schon immer eine große Anzahl von Handwerkern, die sich in den verschiedenen Zünften organisierten. In den besten Zeiten verfügte Grünberg über mehr als zehn Zünfte. Mit am bekanntesten ist die Zunft der Schuhmacher, die “Grimmicher Schuster”.

Der Initiator

Wolfgang Richter war eine der Initiatoren für das Haus der Zünfte. Mit unerermüdlicher Schaffenskraft hat er für die vielfältigen Exponate  und deren Präsentation gesorgt. Er verstarb am 30.08.2016 im Alter von 82 Jahren.

Meine Bilderreihe zeigt einen Teil, der verschiedensten, dort zur Schau ausgestellten Handwerksrichtungen.

 

Die Fachwerkkonstrution aus zugesägtem oder gebeilten Eichenholz ist in einem sehr guten Zustand. Bei der Sanierung 2006 wurde dieses historische Stadtgebäude schön heraus geputzt und erhielt u.a. einen neuen Anstrich.

Grünberg gehört zu jenen Orten, für die die ältere Fachliteratur – ein anerkennendes Wort, im Hinblick auf seine Fachwerkausprägung fand. Besonders seine Holzarchitektur zählt zu den wertvollsten Ortsbildern Hessens.

Gerne gehe ich auf die Zimmermannskunst früherer Zeiten ein – da ich selber ein “Holzwurm” aus Leidenschaft war – und viele Jahre bis `72 – eine Zimmerei in Greifenstein-Holzhausen leitete.  Viel Glück hatte ich mit meinem Berufswechsel, wo ich ab 1973 bei der Nassauischen Brandversicherungsanstalt (NBVA) Wiesbaden, 22 Jahre als techn. Angestellter (Gebäude-/Brandschadenschätzung) – tätig war.

 

Und wen`s interessiert die Bezeichnung der Fachwerkhölzer – von unter angefangen: Auf dem Bruchsteinsockel die geschwungene (1) Grundschwelle, und somit zweckgerichtete Art der Holzführung mit natürlicher Verwendung krummer Hölzer, die den Wandungen ihre urwüchsig-kraftvolle Note geben! (2) Eckständer + Innenständer (übl. Bezeichnung: Pfosten), dazwischen (3) Brust- und Kopfriegel.  Diagonale: (4) Wand- und Fußstrebe.  Längsholz (Deckenbereich): (5) Rahmholz und aufgesetzt: (6) die Balkenköpfe, (Stockdecken).
Dieses Haus lässt sich nicht verfehlen! Das Gehänge >HAUS DER ZÜNFTE< – über dem Eingangsbereich, zeugt von gelungener Schmiedekunst!

Obwohl Grünberg nach Limburg und Alsfeld noch heute über die meisten erhaltenen Fachwerkhäusern in Hessen verfügt, waren damals die heimischen Zimmerer eher in Unterzahl. Die meisten Zimmerer waren Wanderarbeiter, die aus dem fränkischen Bereich kamen. Von daher ist das Fachwerk in Grünberg dem hessisch-fränkischen Fachwerk zuzuordnen.

Schreiner und Zimmerer (E4)

Hier werden die Werkzeuge der Schreiner und Zimmerer präsentiert. Insbesondere sollte man der großen Klobsäge Beachtung schenken,(leider hier nicht zu sehen) die auf eindrucksvolle Art verdeutlicht, wie mühsam damals die Herstellung von Balken und Brettern war. Die Säge musste dabei durch zwei Personen bedient (besser gezogen) werden!  Ich kann in meiner Lehrzeit im Jahre 1953 – noch einen Vergleich ziehen, wo wir die angerissenen Bauhölzer noch mit einer sogen. Dromm- oder auch Schrotsäge (seht im Bild links – an der Wand hängend) bearbeiteten.
“Welche fleißigen Leutchen werden vor dieser `historischen` Hobelbank schon – arbeitend – davor gestanden haben!? Vorne zu sehen, ein langer Hobel, eine sogen. Rauhbank – mit besonders großem Haltegriff und einer breiten Klinge von 60 mm, die mit einem Keil verstellt werden kann. Dahinter, verschiedene Arten von Klöppeln (Klopfhölzer), die man zum stemmen von Löchern – mit dem Stechbeitel – benötigte.
Handsägen verschiedener Arten, wie Fuchsschwänze, Stichsäge, Gärungssäge, Laubsäge, Spannsägen und wie schon erwähnt – Schrotsäge – die von Zimmerleuten, Wald- und Forstarbeitern, damaliger Zeiten benötigt wurden. “Ah Sichel mischt sich mit in`s Bild” – Spaß!
… das fand ich gut!  Hier wurde ein historisches Wandstück – zur Präsentation – frei gelegt! Möchte näher auf sogen. STAKHOLZ eingehen: Stakholz (auch Stake, Stakung, Stakete oder Stückholz) – bezeichnet im Bauwesen ein etwa armlanges Stück gespaltenes Holz von rundem, rechteckigem oder dreieckigem Querschnitt. Noch bis ins späte 19. Jahrhundert war es üblich, Stakhölzer in Gestänge aus einer Lehm-Stroh-Mischung zu wickeln, bevor sie als Lehmwickel in das Gefach einer Fachwerkwand oder auch in Holzbalkendecken eingebracht wurden.

Metzgerhandwerk (OG 5)

Schuhmacher-, Gerber- und Sattlerhandwerk (OG 4)

Friseur, Barbier, Bader (OG 2)

In früheren Zeiten konnte ein Friseur gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausüben. Er war dann nicht nur für das Haupt- und Barthaar zuständig, sonderm auch (nach entsprechender Ausbildung) als sogen. Bader und somit als verlängerter Arm der Mediziner tätig. Er bot dazu nicht nur entsprechende Bäder an, sondern verabreichte Salben und medizinische Tinkturen. Notfalls reparierte er auch noch die Zähne.  Ja, das waren weit vergangene Zeiten, wo auch die Menschen zufriedener waren, als heute!

Um die Haare entsprechend in Form zu bringen wurden Onduliereisen – Vorgänger der späteren Lockenwickler – ins Haar gedreht. Die verschiedenen Eisen wurden in kleinen Öfen elektrisch – auch noch per Flamme – erhitzt.
… schön zu sehen, auf dem Spiegelboard: Verschiedene Arten `Je nach Bart/Bärtchen` – die Rasierschaum-Pinsel. (ungewollt ist der `Ablichter` mit im Bild) – Spaßßß!

Die Backstub` (OG 1)

Im Bild rechts ein sogen. Backschießer, wo der Teig im Backtrog nach dem kneten zu Brot geformt und anschließend per Brotschaufel in den heißen Backofen geschoben wurde.

Weberei (E 8)

Der Webstuhl erinnert an die große Zeit der Grünberger Woll- und Leinenweber. Bis in die 60er Jahre gab es in Grünberg eine Vielzahl von Webereien, die zum einen Leinenstoffe, aber auch Wollstoffe produzierten. Der für die Leinenfaser  notwendige Flachs wurde in dem Gebiet der Au, dem heutigen Reitplatz angebaut. Ebenso lieferten die Schafherden aus Grünberg oder dem Vogelsberg die notwendige Wolle. Die Weberei wurde im Winter auch als Heimarbeit in kleinen, privaten Webereien im Vogelsberg betrieben und die Stoffe und Garne nach Grünberg verkauft.

Hier eine offene alte Elektroverteilung noch mit Drehsicherungen und Materialien vergangener Zeiten – “das war einmal”! Ein ganz besonderer Hingucker, das Gabeltelefon! ” Wieviel Jährchen wird es wohl auf dem Buckel haben” ?
… ein Ausstellungsraum mehrerer Handwerksrichtungen – hier zu sehen – Spenglerarbeiten.

Das wars mal wieder, auch wenn ich nicht “alles verraten habe” – kann ich nur empfehlen: “Geht selber auf Entdeckungsreise”!  Schaut EUCH in Ruhe die Vielfalt der Grünberger Zünfte an.

Der Grimmicher Verkehrsverein 1896 e.V. freut sich auf jeden Besucher.

Freundliche Grüße

Heiner Klose – Schwedendorf, Grünberg

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