Sterben ist ein Teil des Lebens – Lebenshilfe Gießen betritt Neuland mit Beratungsangebot für die letzte Lebensphase von Menschen mit Behinderung

226
Stefan Lind und Petra Wagner von der Familienberatungsstelle der Lebenshilfe Gießen engagieren sich im Rahmen des neuen Beratungsangebots „Behandlung im Voraus Planen“.

Giessen/Pohlheim (-). Das Sterben und den Tod zu thematisieren, wenn man mitten im Leben steht, fällt schwer. Das wissen auch Stefan Lind und Petra Wagner von der Familienberatungsstelle der Lebenshilfe Gießen. Seit letztem Jahr bauen sie ein Projekt mit dem Namen „Behandlung im Voraus Planen“ als Teil der Ambulanten Hilfen der Lebenshilfe auf. Die Corona-Pandemie hat die Umsetzung des neuen Beratungsangebots im zurückliegenden Jahr gebremst. Das neue Beratungsangebot richtet sich an Menschen mit Behinderung, die eine Anbindung an die Lebenshilfe Gießen haben und in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Damit haben sie als Versicherte einen gesetzlichen Anspruch auf die Beratung. Die gesundheitliche Versorgungsplanung ist im Hospiz- und Palliativgesetz verankert.

Es geht darum, frühzeitig über Leben, Tod und Sterben nachzudenken und gemeinsam mit den Klient*innen zu überlegen, wie sie im medizinischen Notfall behandelt werden möchten. Das Angebot beschränkt sich nicht auf die letzte Lebensphase. Auch schwere Erkrankungen können dazu führen, dass man nicht mehr für sich selbst entscheiden kann. „Deswegen möchten wir vor dem Eintreten eines Notfalls gemeinsam mit allen Beteiligten besprechen, wie die Person im medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und seelsorgerischen Bereich behandelt werden möchte. Das wird schriftlich festgehalten und kann beispielsweise dem gesetzlichen Betreuer helfen, Entscheidungen im Sinne der von ihm betreuten Person zu treffen“, beschreibt Petra Wagner den Beratungsansatz.

Ein strukturiertes Verfahren zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens von Menschen mit Behinderung fordert neben Empathie und Geduld ein hohes Maß an Methodenkompetenz: „Das Erstellen einer Patientenverfügung oder Vertreterdokumentation setzt voraus, den Willen eines Menschen zu kennen. Je stärker die kognitive Beeinträchtigung einer Person ist, desto schwieriger ist es, den Willen zu ermitteln. Deswegen erstellen wir zusammen mit dem nahen Umfeld eine sogenannte Vertreterdokumentation. In dieser Dokumentation tragen wir das gesamte Wissen der Vertreter*innen über die Person zusammen“, schildert Lind den komplexen Beratungsprozess. Zu diesem Kreis gehören gesetzliche Betreuer*in, Eltern, Wohnstätten/Werkstätten-Personal, Angehörige und Freund*innen. So soll aus vielen unterschiedlichen Quellen den Lebenswillen der Person ermittelt werden. Ziel ist es, die Behandlungswünsche für die letzte Lebensphase zu dokumentieren. „Schließlich ist es besser, etwas in der Schublade zu haben als sich im Notfall zu fragen, was die betreffende Person wohl gewollt hätte“, umreißt Wagner, die seit vielen Jahren auch als ehrenamtliche Hospiz-Begleiterin arbeitet, das Anliegen von „Behandlung im Voraus Planen“.

Kontakt:
Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung
Behandlung im Voraus Planen (BVP)
Stefan Lind und Petra Wagner
E-Mail: bvp@lebenshilfe-giessen.de
Telefon: 0641/972 1055-420

Lebenshilfe Gießen
Die Lebenshilfe Gießen e.V. ist ein gemeinnütziges Unternehmen und begleitet über 3000 Menschen mit und ohne Behinderung in ein selbstbestimmtes Leben.