Pohlheim | Die Teilnehmerliste liest sich wie das „Who is Who“ aus der Nostalgie- und Mottenkiste der Aeronautik. Es sind Juwelen der Lüfte, Kleinode des Himmels, fliegende Kostbarkeiten aus dem „Goldenen Zeitalter der Fliegerei“. So unterschiedlich in Design und Leistung diese Flugzeuge auch sind, gemein ist nahezu allen, dass sie schon viele, viele Jahrzehnte auf dem Buckel, pardon, den Flächen haben. Oldies, but Goldies. Raritäten, Schmuckstücke, echte Hingucker, (Neudeutsch: „Eyecatcher“). Da klopft nicht nur dem ausgewiesenen Fliegerfreund das Herz in der Brust. Und da bekommt nicht nur der passionierte Experte glänzende Augen. Diese Veteranen der Lüfte haben alle vom 29. bis 31. Juli nur ein Ziel: Marburg-Schönstadt. Eine stattliche aus annähernd 80 betagten „Kisten“ bestehende Luftflotte, jede einzelne Maschine liebevoll gepflegt und top-restauriert, wird dann zur großen Grillparty auf dem Flugplatz des hiesigen Vereins für Luftfahrt erwartet – wobei Steaks und Würstchen natürlich in erster Linie für die Besatzungen auf dem Rost bruzzeln. Aber auch die Besucher werden versorgt werden.
„Barnstormers Barbecue“ nennt
sich der leckere und vor allem auch optisch ansprechende, lagerfeuer-romantische Spaß. Hinter dieser konzeptionell etwas ungewöhnlichen Aktion steht die Internet-Community „biplanes.de“ und der Marburger Verein für Luftfahrt. Bei Ersteren handelt es sich um einen in diesem Netzwerk locker organsierten „Haufen“ (Flug-) Verrückter, deren Interessen einzig und allein um die schönste Nebensache der Welt, die Fliegerei, kreisen, und die die sich dahingehend nicht zum ersten Mal engagieren. Inzwischen ist die Teilnehmer- und Anmeldeliste geschlossen worden, da die Kapazitätsgrenze erreicht wurde. Mehr ist und geht nicht. Es stehen so garn noch etliche Namen auf der Warteliste.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Das wird kein Flugtag im klassischen Sinne. Und es gibt auch keine waghalsigen, rasanten Manöver zwischen Himmel und Erde. Die Maschinen bleiben in erster Linie brav am Boden und sind im Static Display zu bewundern. Sinn und Zweck des Fly-In ist schlicht und ergreifend der Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen den Crews, die Pflege der Geselligkeit und das Schließen neuer Freundschaften. Letzteres dürfte nicht schwer fallen, zumal alle doch irgendwie auf der gleichen Welle funken. Und dabei bilden die aktiv Beteiligten
nicht etwa einen hermetisch abgeschlossenen Zirkel, während die anderen außen vor bleiben. Vielmehr sind Zuschauer und Interessenten bei freiem Eintritt ausdrücklich und herzlich willkommen, eine Brise Öl- und Benzinduft zu schnuppern und in die faszinierende Welt der Oldies einzutauchen.
Geschichten, Verzählcher und etwas Fliegerlatein
Die „Barnstormers“ (freie Übersetzung: „Wanderschauspieler“) brauchen Publikum. Wem sonst sollen sie jenseits diverser Fachsimpeleien ihre abenteuerlichen Geschichten und Anekdoten erzählen? Wobei sich durchaus auch mal die eine oder andere Flunkerei in die Stories einschleichen dürfte. Man/Frau kann das alles glauben, muss es aber nicht …. Und bei 80 flächengestützten Exponaten gibt’s bis zur Reizüberflutung allemal genug zu sehen. Damit stellt diese Veranstaltung eines der größten Doppeldecker- und Oldtimer-Treffen seiner Art in Deutschland dar. Im Jahre 2008 hatte das biplane-Team ein vergleichbar stark frequentiertes Meeting auf dem Sonderlandeplatz in Eschenburg-Hirzenhain ausgerichtet. Tausende interessierter Zaungäste kamen. Im vergangenen Jahr waren dann die „Barnstormer“ nach Marburg-Schönstadt auf den Flugplatz des Kurhessischen Vereins für Luftfahrt gekommen und haben sich dort sehr wohl gefühlt. Mancher Besucher wird sich gerne erinnern. Und deshalb gibt es in diesem Jahr eine Neuauflage. Gleiche Welle, gleiche Stelle.
Oldies, Lagerfeuerromantik und glühende Ballons
Durch den Verzicht auf eine „Agenda“ erübrigt sich ein exakter Zeitplan. Freitag, der 29. Juli ist mehr oder weniger für die Anreise der aus ganz Deutschland und dem benachbarten europäischen Ausland kommenden Piloten reserviert; das Geschehen an den anderen beiden Tagen folgt dem Zufallsgenerator. Wie’s kommt, so kommt’s. Wer kommt, der kommt. Die Crews werden von dem gastgebenden Verein gratis verpflegt, für die Besucher gibt es Speisen und Getränke zu sozialen Preisen. Samstag, der 30. Juli, gehört den Barnstormern und ihrem BBQ mit Lagerfeuerromantik. Hier werden die Ballonfahrer des Kurhessischen Vereins bei gutem Wetter noch mit einem Ballonglühen für Stimmung sorgen. Der Sonntag, der 31. Juli wird dann von Seiten der Gastgeber genutzt, um sich im Rahmen eines „Tag der offenen Tür dem Publikum vorzustellen, Einblicke in die „normalen“ Aktivitäten des Vereins zu geben und zum Mitmachen zu animieren.
Ein Bett unter der Tragfläche
Die Besatzungen der Flugzeuge übernachten auf dem Platz, zum Teil stilecht in Schlafsäcken
unter den Tragflächen ihrer Maschinen. Das kommt dem von Richard Bach, der nachgeborenen, US-amerikanischen Antwort auf Antoine de Saint-Exupéry, in seinem Klassiker „Vagabunden der Lüfte“ beschriebenen Fliegerromantik am Nächsten. Und von demselben Autor stammt auch die Erkenntnis: „Wer einmal die Welt durch die Tragflächen eines Doppeldeckers gesehen hat, wird nie wieder der gleiche Mensch sein“. Da mag was dran sein. Aber das ist nicht nur auf die Doppelflügler beschränkt, sondern gilt samt und sonders auch für deren singleflächigen Brüder und Schwestern aus den frühen Tagen der Fliegerei.
Allein 6 prächtige Boeing Stearman sind im Aufgebot, sieben Bücker 131 Jungmann, ein Max Holste Broussard, „Macho“ Niebergalls Siai Marchetti SF-260, drei Focke-Wulf Stieglitz, ein Slepcev Storch, zwei Skybolts, fünf Pitts Special, zwei Christen Eagle II, jede Menge Piper PA18 Club, zwei Do 27, sieben FK 12 Comet, ein knappes Dutzend „Kiebitze“, mehrere Dallach Sunwheels, eine schöner als die andere, und , und, und … Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Jedes einzelne Flugzeug hat natürlich seine Geschichte, derer oft gleich mehrere. Und um viele ranken sich Legenden und abenteuerliche „Verzählcher“. Das wird spannend, wenn die Besitzer und Piloten aus dem Nähkästchen plaudern. Für Teilnehmer und Besucher dürften das unvergessliche Stunden und Augenblicke werden. Und vielleicht ergibt sich ja für den einen oder anderen Besucher die Möglichkeit, in der einen oder anderen dieser Kostbarkeiten mal eine Runde mit zu fliegen!