Fragen und Antworten zum Impfstoff von AstraZeneca

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Deutsche Herzstiftung

Die Deutsche Herzstiftung gibt einen Überblick zur derzeitigen Faktenlage und informiert, worauf Herzpatienten besonders achten sollten.

In den letzten Wochen haben sich Berichte über mögliche Risiken des Covid-19-Impfstoffs von AstraZeneca (Handelsname: Vaxzevria®) gehäuft. Die Deutsche Herzstiftung gibt einen Überblick zur derzeitigen Faktenlage und informiert, worauf Herzpatienten besonders achten sollten. Im Artikel fassen wir wichtige Informationen mit Stand 19. April 2021 zusammen. Die Rahmenbedingungen für Impfungen können sich aufgrund neuer Daten ändern. Die Deutsche Herzstiftung folgt den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut.

Wie funktioniert der Impfstoff von AstraZeneca?

Grundlage des Impfstoffs ist ein Virus aus dem Tierreich, das für Menschen harmlos ist. Im Labor wurde der Bauplan für ein Eiweiß von SARS-CoV-2 eingefügt. Ärzte spritzen den AstraZeneca-Impfstoff wie andere Impfstoffe auch in den Oberarmmuskel. Körpereigene Zellen lesen diesen Bauplan ab. Das Eiweiß des Coronavirus entsteht. Es gaukelt unserem Immunsystem eine Infektion vor; Antikörper und Gedächtniszellen entstehen. Sie zerstören im Falle einer Infektion SARS-CoV-2.

Wie effektiv ist der AstraZeneca-Impfstoff?

Nach derzeitigem Kenntnisstand hat der Covid-19-Impfstoff von AstraZeneca eine Wirksamkeit von mindestens 80%, wenn Patienten zwei Impfungen im Abstand von 12 Wochen erhalten. Betrachtet man nur schwere Verläufe einer Covid-19-Infektion mit Behandlung im Krankenhaus, verhindert der Impfstoff mindestens 95% aller Fälle.

Wer sollte den AstraZeneca-Impfstoff erhalten?

Die Deutsche Herzstiftung hält sich an Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Diese Vorgaben können sich ändern. Außerdem sprechen Behörden anderer Länder abweichende Empfehlungen aus. Derzeit rät die Ständige Impfkommission, den Impfstoff nur Menschen über 60 Jahren zu verabreichen. Das liegt am vermuteten Zusammenhang zwischen Thrombosen und der Impfung (siehe unten).

Können alle Zweitimpfungen mit AstraZeneca erfolgen?

Laut Ständiger Impfkommission sollten momentan nur Menschen über 60 bei ihrer Zweitimpfung den AstraZeneca-Impfstoff erhalten.

Kann man einen anderen Impfstoff für die Zweitimpfung mit AstraZeneca kombinieren?

Wer unter 60 ist und bereits eine Dosis des AstraZeneca-Impfstoffs erhalten hat, sollte laut STIKO bei der Zweitimpfung einen der zugelassenen* mRNA-Impfstoffe erhalten. Daten zur Wirksamkeit bei der Kombination unterschiedlicher Impfstoffe gibt es noch nicht.

Welche akuten Nebenwirkungen treten innerhalb von ein bis vier Tagen auf?

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) nennt als häufigste akute Nebenwirkungen eine erhöhte Temperatur, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, allgemeines Unwohlsein, Übelkeit, Müdigkeit oder Beschwerden direkt an der Einstichstelle. Davon ist mehr als eine Person unter zehn Geimpften betroffen. Solche Beschwerden sind kein Anlass zur Sorge. Sie verschwinden von selbst. Generell gilt: Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben nicht häufiger Nebenwirkungen als die durchschnittliche Bevölkerung.

Was können Herzpatienten bei diesen Nebenwirkungen tun?

Grippeähnliche Beschwerden nach der Impfung sind kein Grund zur Sorge. Sie klingen innerhalb weniger Tage von selbst ab. Dennoch muss niemand leiden. Laut Robert Koch-Institut können schmerzlindernde beziehungsweise fiebersenkende Medikamente eingenommen werden. Dazu zählen Paracetamol oder Ibuprofen. Vorbeugend sollten die Medikamente nicht zum Einsatz kommen, da unklar ist, ob sie die erwünschte Immunreaktion negativ beeinflussen. Informationen zur Dosierung sind in der Packungsbeilage zu finden. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker. Herzpatienten verzichten besser auf ASS (Acetylsalicylsäure; Aspirin® u.a. Markennamen) als Schmerzmittel, weil dieser Wirkstoff die Verklumpung von Blutplättchen hemmt. Hat der Arzt unabhängig von einer Impfung ASS verordnet, nimmt man den Wirkstoff wie empfohlen weiter.

Welche schweren Reaktionen (anaphylaktischen Schockreaktion) können auftreten?

Anaphylaktische Schockreaktionen, also starke bis lebensbedrohliche allergische Reaktionen, zählen zu den seltenen Nebenwirkungen. In Großbritannien waren es 41 Fälle bei fünf Millionen Impfungen (Stand 12. März 2021). Die Deutsche Herzstiftung rät: Wer in der Vergangenheit einen anaphylaktischen Schock oder schwere allergische Reaktionen gezeigt hat, sollte vor der Impfung einen Allergologen aufsuchen – unabhängig von der Art des Allergens, auf das man reagiert.

Was sollten Patienten über das Thrombose-Risiko von Impfungen wissen?

Nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff traten sehr selten Blutgerinnsel auf, speziell in Hirnvenen (sogenannte Sinusthrombosen) sowie in anderen Venen. Bis zum 22. März 2021 erhielt die EMA Berichte über 62 Patienten mit Sinusthrombosen und 24 Patienten mit anderen Thrombosen. 18 Personen sind daran gestorben. Meist waren jüngere Menschen betroffen. Alle Zahlen beziehen sich auf die Europäische Union beziehungsweise den Europäischen Wirtschaftsraum ohne Großbritannien. Insgesamt wurden rund 35 Millionen Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs verimpft. Das absolute Risiko ist gering: Pro 1 Million Impfungen kommt es durchschnittlich zu 2 Sinusthrombosen und zu 1 anderen Thrombose. Im statistischen Durchschnitt tritt pro 2 Millionen Impfungen 1 Todesfall auf.

Warum erhalten nur Menschen über 60 den AstraZeneca-Impfstoff?

Thrombosen können auch ohne Impfung auftreten. Bei der Covid-19-Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff handelt es sich um eine mögliche, aber sehr seltene Nebenwirkung; der Zusammenhang wird vermutet, aber wissenschaftlich noch untersucht. Sie betrifft eher jüngere Menschen. Außerdem erkranken Menschen ab 60 Jahren in Schnitt oft schwerer an einer Covid-19-Infektion als jüngere Personen. Deshalb empfiehlt die STIKO den AstraZeneca-Impfstoff für Personen ab 60 Jahren. Wer jünger ist, sollte bevorzugt einen zugelassenen mRNA-Impfstoff erhalten. Nach derzeitigem Stand ist das Thrombose-Risiko bei diesen Impfstoffen nicht erhöht. Auch bei sonstigen Impfungen gibt es nicht mehr Thrombosen.

Wie entstehen Thrombosen nach Impfungen mit AstraZeneca?

Für das erhöhte Thrombose-Risiko gibt es derzeit Hypothesen; ob wirklich ein Zusammenhang besteht, wird erforscht. Das gilt jedoch als recht wahrscheinlich. Wissenschaftler vermuten, dass das Immunsystem nach der Impfung spezielle Antikörper bildet. Diese erkennen einen Faktor, der zur Blutgerinnung beiträgt. Es entstehen mehr aktive Blutplättchen. Sie verklumpen, und ein Blutgerinnsel, Thrombus genannt, bildet sich. Ärzte kennen einen ähnlichen Mechanismus als seltene Nebenwirkung nach der Gabe von Heparin. Dieses Medikament wird zur Hemmung der Blutgerinnung eingesetzt. Man spricht von einer „Heparin-induzierten Thrombozytopenie“. Es handelt sich um eine immunologische Reaktion. Klassische Risikofaktoren für Thrombosen wie die „Pille“, Übergewicht oder wenig Bewegung, haben hier keine Bedeutung.

Wie erkennt man Sinusthrombosen oder andere Thrombosen?

Thrombosen treten drei oder vier bis 16 Tage nach der Impfung auf. Als typische Beschwerden nennt die EMA:

  • Kurzatmigkeit
  • Schmerzen im Brustkorb
  • Schwellungen in einem Bein oder in beiden Beinen
  • anhaltende Bauchschmerzen
  • winzige Blutflecken unter der Haut jenseits der Injektionsstelle
  • neurologische Beschwerden wie anhaltende Kopfschmerzen oder verschwommene Sicht.

Patienten sollten umgehend einen Arzt aufsuchen und auf die Impfung mit AstraZeneca hinweisen.

Wie lassen sich diese Thrombosen behandeln?

Im ersten Schritt werden Ärzte mit verschiedenen Verfahren nach einer Thrombose suchen, um ihre Lage und Größe zu beurteilen. Ultraschall eignet sich bei Verdacht auf ein Blutgerinnsel der Hals-, Arm-, Becken- oder Beinvenen. Die Computertomographie‎ (CT) oder Magnetresonanztomographie‎ (MRT) kommt bei Verdacht auf eine Thrombose im Gehirn zum Einsatz. Auch ein Blutbild wird angefertigt. Die Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH) rät, bei einem Blutgerinnsel in zeitlichem Zusammenhang mit dem AstraZeneca-Impfstoff im Blut nach Antikörpern gegen Heparin zu suchen. Treten diese auf, sollten Patienten hochdosierte Immunglobuline erhalten. Hinzu kommen Arzneimittel zur Hemmung der Blutgerinnung, aber keine Heparine.

Welche unerwünschten Reaktionen treten beim AstraZeneca-Impfstoff nicht auf?

Bei der Impfung gelangt fremdes genetisches Material in den Körper. Zellen nutzen die Information, um ein bestimmtes Corona-Eiweiß (das sogenannte Spike-Protein) herzustellen. Das menschliche Erbgut, die DNA, verändert sich nicht. Der Impfstoff trägt nicht zur Entstehung von Krebs bei. Aus den Zulassungsstudien gibt es auch keine Hinweise auf Autoimmunerkrankungen oder Unfruchtbarkeit.

Sind Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen einem höheren Risiko ausgesetzt, wenn sie den AstraZeneca-Impfstoff erhalten?

Nein – ihr Risiko ist nicht erhöht, wenn sie sich an Empfehlungen ihrer Ärzte halten. Alle Impfstoffe, auch der Covid-19-Impfstoff, wurden in großen Studien untersucht. Nach aktuellem Wissensstand beurteilen Experten der Deutschen Herzstiftung die Fakten so: Für Herz-Kreislauf-Patienten sind alle zugelassenen Impfstoffe hinsichtlich ihrer Schutzwirkung vor schweren Covid-19-Verlauf gleich gut. Dies gilt sowohl für Patienten mit Bluthochdruck, nach Herzinfarkt, mit implantierten Herzklappen als auch mit Herzschrittmachern und implantierbaren Defibrillatoren wie den ICD-/CRT-Geräten. Patienten sollten vor der Impfung medikamentös optimal eingestellt sein, etwa hinsichtlich ihres Blutdrucks oder ihrer Blutgerinnung. Die Deutsche Herzstiftung warnt eindringlich davor, Arzneimittel vor dem Impftermin abzusetzen. Patienten sollten im Zweifelsfall mit dem Arzt sprechen.

Ist eine Impfung mit AstraZeneca möglich, wenn man Gerinnungshemmer einnimmt?

Viele Patienten benötigen Gerinnungshemmer aufgrund von Vorhofflimmern oder aufgrund der koronaren Herzkrankheit. Sie profitieren ebenfalls vom AstraZeneca-Impfstoff. Nach aktuellem Kenntnisstand entstehen Hirnvenenthrombosen und sonstige Thrombosen durch einen immunologischen Mechanismus – anders als Blutgerinnsel, die durch Vorhofflimmern oder defekte Herzklappen gebildet werden. Nicht geimpft zu werden, stellt ein mehrere tausend Mal höheres Risiko dar, als sich impfen zu lassen. Herzpatienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, sollten die Injektionsstelle nach der Impfung länger komprimieren, bis die Gerinnung eingesetzt hat. Bei angeborenen oder erworbenen Störungen der Bildung von Blutplättchen (Thrombozyten) darf nicht mit AstraZeneca geimpft werden.

Bei welchen Erkrankungen sollte besser nicht der AstraZeneca-Impfstoff verwendet werden?

Wie die Europäische Arzneimittelagentur EMA berichtet, entstehen Hirnvenenthrombosen und sonstige Thrombosen bei AstraZeneca durch einen Mechanismus, der über Blutplättchen (Thrombozyten) vermittelt wird. Wer an Erkrankungen des blutbildenden Systems leidet, sollte vorher mit dem behandelnden Arzt sprechen. Dazu zählen etwa Störungen der Bildung von Blutplättchen (Thrombozyten). Herzpatienten sollten nicht den Impfstoff von AstraZeneca erhalten, wenn sie eine angeborene oder erworbene Thrombozytenstörung haben. Als Beispiel sei die Thrombozythämie genannt, eine Erkrankung des blutbildenden Systems mit erhöhter Thrombozytenzahl. Auch bei der sogenannten Heparin-induzierten Thrombozytopenie, einer seltenen Reaktion nach einer Heparin-Gabe, rät die Herzstiftung aus Vorsichtsgründen vom AstraZeneca-Impfstoff ab. In diesem Fall können sich Patienten mit einen der zugelassenen mRNA-Impfstoffe impfen lassen.

Was ist bei einem anaphylaktischen Schock in der Vorgeschichte zu beachten?

Anaphylaxien sind starke bis lebensbedrohliche allergische Reaktionen. Sie treten beispielsweise nach dem Kontakt mit Bienen- oder Wespengift, mit Lebensmitteln, Medikamenten, Röntgenkontrastmitteln oder Impfstoffen auf. In dem Fall sollten Patienten vor der Impfung – unabhängig vom Impfstoff – einen Allergiespezialisten aufsuchen und um Rat fragen.

*Alle aktuell zugelassenen Covid-19-Impfstoffe haben eine bedingte Zulassung mit Auflagen erhalten. Mehr Informationen erhalten Sie hier.

Experte

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Wolfgang Klaum
Ehrenamtlicher Beauftragter der Deutschen Herzstiftung