Strompreise bleiben konstant, Gas wird teurer

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In den vergangenen Monaten brachen die Notierungen an den Energiebörsen einen Rekord nach dem anderen. Das wirkt sich auf die Energiepreise der Stadtwerke Gießen aus.

Seit Januar 2021 haben sich die Börsennotierungen für Erdgas und Strom vervielfacht. Diese Entwicklung beeinflusst natürlich die Preise der Stadtwerke Gießen (SWG). Was nicht zwangsläufig dazu führt, dass auch die Endpreise für die Kundinnen und Kunden steigen. Denn beim Strom gleicht die deutliche Reduktion der EEG-Umlage von 6,5 auf 3,723 Cent pro Kilowattstunde den Kostenanstieg auf der Beschaffungsseite aus. „Wie üblich geben wir die Vorteile, die durch die Senkung der Umlagen entstehen, eins zu eins an unsere Kundinnen und Kunden weiter“, erklärt Jens Schmidt, Kaufmännischer Vorstand der SWG. „Allerdings führt das in diesem Jahr nicht zu günstigeren Strompreisen. Sondern dazu, dass wir deren Anstieg verhindern können.“ Das gilt für alle Tarifmodelle der Privat- und Gewerbekunden der SWG.

Bei den Erdgaspreisen fehlt leider solch ein preisdämpfender Effekt. Folglich schlagen die historisch hohen Beschaffungskosten auf die Endpreise durch. „Wir kommen einfach nicht umhin, unsere Gaspreise deutlich nach oben zu korrigieren“, bringt es Jens Schmidt auf den Punkt. Tatsächlich steigen die Preise in der Grundversorgung für einen Durchschnittshaushalt mit einem Verbrauch von rund 27.000 Kilowattstunden jährlich um etwa 24 Prozent. Für sich betrachtet eine massive Erhöhung, die im Vergleich mit dem Wettbewerb aber sehr moderat ausfällt. Denn viele Anbieter – vor allem solche, die großen Wert darauf gelegt haben, in den einschlägigen Portalen einen der vorderen Plätze zu belegen – müssen ihre Preise deutlich stärker anheben. Verdopplungen sind keine Seltenheit, einige haben ihre Preise mehr als verdreifacht.

Der Grund für die vergleichsweise geringe Erhöhung bei den SWG liegt in ihrer Beschaffungsstrategie. „Wir decken uns zu verschiedenen Zeitpunkten mit Teilmengen ein“, erläutert Jens Schmidt das Konzept. Auf diese Weise reduzieren die Experten der SWG Preisrisiken, die durch schwankende Kurse an der Börse entstehen. Dafür nehmen sie in Kauf, nicht immer zu den allerbesten Konditionen zu beschaffen. „Mit unserer Strategie können wir nie die Günstigsten sein. Aber wir bieten maximale Sicherheit“, beschreibt Jens Schmidt die Situation. Jener Aspekt bezieht sich speziell in der aktuellen Lage nicht nur auf vernünftige, gut kalkulierbare Preise, sondern auch auf die Versorgung an sich. Denn erste Anbieter, die eine deutlich riskantere Strategie in Sachen Beschaffung praktizierten, mussten bereits Insolvenz anmelden oder haben die Lieferung eingestellt. „So etwas kann bei einem vergleichsweise konservativ agierenden Stadtwerk wie uns nicht passieren“, versichert Jens Schmidt.

Die SWG sind aber nicht nur ein zuverlässiger Versorger für ihre bestehenden Kundinnen und Kunden. Tatsächlich beliefert das Unternehmen in seinem angestammten Versorgungsgebiet automatisch alle jene mit Erdgas, deren Anbieter zahlungsunfähig wird. Oder Menschen, denen ihr Lieferant von sich aus kündigt. Jens Schmidt formuliert es so. „Wir sind einfach ein sicherer Hafen – für unserer Kundinnen und Kunden und für alle, die ihr Anbieter aus welchen Gründen auch immer im Stich lässt.“      

Stichwort Sicherheit: Für Kundinnen und Kunden, die sich für ein Thermofix-Produkt – also für einen Festpreistarif der SWG – entschieden haben, bleibt vorerst alles beim Alten. Die dafür nötigen Gasmengen haben die SWG zu festen Konditionen beschafft. Allerdings kann heute noch niemand seriös abschätzen, wann die SWG wieder ein ähnlich günstiges Angebot unterbreiten können. „Wir beobachten den Markt akribisch und arbeiten fieberhaft daran, schon bald neue Thermofix-Tarife auflegen zu können“, verspricht Jens Schmidt.

Konkrete Zahlen

Wie fallen die Gaspreiserhöhungen konkret aus? Die Arbeitspreise in der Grundversorgung steigen in allen fünf Tarifstufen ab Januar 2022 um 1,62 Cent pro Kilowattstunde brutto. Bei den Heizungstarifen wird überdies ein geringfügig höherer Grundpreis fällig. In den Stufen 1 und 2 liegt dieser künftig um brutto zwei Euro pro Jahr höher als bisher. In der Stufe 3 steigt der Grundpreis um fünf Euro pro Jahr brutto.

Selbst an den Kosten drehen

Aus diesen Zahlen ergeben sich für den beschriebenen Durchschnittshaushalt monatlich gut 37 Euro Mehrkosten. Wer weiß wie, kann diese zusätzlichen Ausgaben jedoch ein Stück weit reduzieren. Was alles möglich ist, verraten die Energieberaterinnen und -berater der SWG. „Nehmen Sie uns beim Wort und nutzen Sie dieses Angebot“, empfiehlt Jens Schmidt. Tatsächlich kennen die Expertinnen und Experten der SWG jede Menge Tricks und Kniffe, mit denen sich der Heizenergieverbrauch ohne Komfortverlust senken lässt. Entsprechende Termine sind einfach online buchbar: www.energiessen.de/online-terminvergabe

Warum die Preise auf breiter Front klettern

Der rasante Anstieg der Börsenpreise für Energie hat zahlreiche Ursachen. „In diesem Herbst sind viele ungünstige Faktoren zusammengetroffen“, erklärt Olaf Volkmer, bei den SWG der Experte für die Energiemärkte. Der wohl zentrale: Die globale Wirtschaft kommt nach dem Corona-Einschnitt wieder in Schwung. Mit der unmittelbaren Folge, dass der Energiebedarf nach oben geht. Derzeit fordern vor allem Unternehmen im asiatischen und südamerikanischen Raum riesige Mengen Erdgas an. Noch dazu sind sie bereit, extrem hohe Preise dafür zu zahlen. Diese Kombination führt zu einer Verknappung des Angebots in Europa. Denn Exporteure, die nicht an Verträge gebunden sind, liefern naturgemäß lieber dorthin, wo sich mehr verdienen lässt.

Das Coronavirus spielt auch für den zweiten Faktor eine entscheidende Rolle: Einige Betreiber von Förderplattformen oder Pipelines, die den europäischen Markt bedienen, haben Wartungen pandemiebedingt ausgesetzt und holen die wichtigen Arbeiten jetzt nach. Folglich fallen vorübergehend Förder- und Transportkapazitäten aus. Und das reduziert das verfügbare Angebot von Erdgas weiter.

Faktor 3 – das Wetter. Dass es den Erdgasverbrauch massiv beeinflusst, ist eine Binsenweisheit. Aber inzwischen sorgen nicht nur kalte Temperaturen für einen Anstieg des Bedarfs, sondern auch Hitzezeiten. Und das nicht nur vor Ort in Deutschland, sondern im Grunde global betrachtet. Diese Zusammenhänge ließen sich in den vergangenen Monaten in Europa beobachten: Auf einen langen und kalten Winter folgte in unseren Breiten ein eher kühler Sommer. Südeuropa hingegen litt unter einer Hitzewelle. Beide Phänomene kumulierten sich in einem Problem: aktuell leere Gasspeicher. Dass sie im Frühling nur noch wenig gefüllt waren, ist völlig normal. Schließlich dienen sie dem Zweck, witterungsbedingte Bedarfsspitzen im Winter kostengünstig abzufedern. Nicht planmäßig verlief allerdings der Sommer. Den nutzen die Betreiber der Speicher nämlich üblicherweise, um ihre Lager aufzufüllen. Das fiel in diesem Jahr weitgehend aus. Weil große Mengen Erdgas in den hitzegeplagten Staaten benötigt wurden, um zusätzlichen Strom für ausreichende Klimatisierung zu produzieren, fehlte es zum Einspeichern.

Darüber hinaus dürften die geopolitische Situation und speziell der Streit um die Ostseepipeline Nordstream 2 wesentliche Anteile an der aktuellen Preisentwicklung haben. Und nicht zuletzt leistet auch die deutsche Politik einen Beitrag: Stichwort CO2-Preis. Im Januar dieses Jahres eingeführt, steigt er 2022 von 0,541 auf rund 0,649 Cent pro Kilowattstunde brutto und verteuert den Brennstoff damit zusätzlich.

„Jeder einzelne Punkt wäre unter Bedingungen, wie wir sie bislang kannten, ärgerlich. Aber auch nicht mehr“, sagt Jens Schmidt. Weil all diese Einzelphänomene allein nur einen moderaten Preisanstieg nach sich ziehen würden – wenn überhaupt. Erst das Zusammenwirken all dieser ungünstigen Faktoren sorgt für die aktuelle Preisexplosion. Wann sich die Lage wieder normalisiert, lässt sich nicht prognostizieren. „Obwohl sich der Markt wieder etwas beruhigt, halte ich es für viel zu früh, von Entwarnung zu sprechen“, gibt Olaf Volkmer zu bedenken.

Neben dem Vorschlag, die SWG-Energieberatung zu konsultieren, empfiehlt Jens Schmidt allen Kundinnen und Kunden, ihre Abschläge für Erdgas zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das spart zwar kein Geld, verhindert aber eine böse Überraschung und hohe Nachzahlungen. Schließlich ist absehbar, dass die nächste Erdgasrechnung in der überwiegenden Zahl der Fälle höher ausfallen wird als die letzte.