Stadtparlament Laubach: Mehrheit fügt sich ihrer Kreisleitung

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„Ihr seid auch nichts weiter als gehorsame Parteisoldaten“, rief gestern Abend SPD-Vorsitzender Hartmut Roeschen nach verlorener Abstimmung den Laubacher Grünen zu. Vorausgegangen war der SPD-Antrag, die Stadtverordnetenversammlung möge den Kreistag kritisieren, weil dieser einen dritten hauptamtlichen Kreisbeigeordneten wählen will. Das sei Geldverschwendung. „Für dessen Gehalt geht in sechs Jahren ein Millionenbetrag drauf, der ließe sich viel sinnvoller für die Weiterentwicklung des Landkreises verwenden“, begründete der SPD-Vorsitzende. Kein anderer Landkreis in Hessen leiste sich neben dem Landrat noch drei weitere hauptamtliche Beigeordnete. Bis jetzt hätten zwei Gießener hauptamtliche Kreisbeigeordnete im Team mit Landrätin Anita Schneider vollkommen ausgereicht, um die Arbeit anständig zu erledigen. Schließlich: Laubach zahle jedes Jahr über 5 Millionen Euro Kreisumlage, da sei man zur Kritik am Landkreis berechtigt.

Andererseits verstehe er die „Koalitionsarithmetik“, die hinter der Absicht der Kreis-Parteien steht: Die Koalitionäre von CDU, Grünen und FW wollen jede einen Hauptamtlichen stellen. Deshalb schlug er den Laubacher Stadtverordneten etwas Neues vor: Der Kreistag solle aufgefordert werden, die beiden neu zu wählenden Hauptamtlichen von CDU und Grünen (der FW-Mann bleibt im Amt) mit je einer halben Stelle auszustatten. So würden die Ausgaben nur unwesentlich gesteigert und jede der Koalitionsparteien hätte trotzdem ihren Mann in der Kreisregierung. Außerdem werde damit ein landesweites Signal zum Thema Gleichstellung gesendet: „Warum sollen immer nur Frauen auf halbe Stelle gehen“, rief Hartmut Roeschen.

Weitere Laubacher Stadtverordnete meldeten sich nicht zu Wort und so kam es zur (natürlich öffentlichen) namentlichen Abstimmung. Das Abstimmungsverhalten der einzelnen Stadtverordneten zum SPD-Antrag ist hier dokumentiert (J=Ja; N=Nein; E=Enthaltung):

Dr. Häbel E; Kühn N; A. Sussmann N; Philippi J; Wittek N; Nagorr N; J.Frank E; Ide E; Roeschen J; Mohr J; L. Schmulbach J; Schönhals J; Bienefeld J; Kempff N; Loth J; Jäger N; Jünger N; Kröll N; Maikranz N; Polat N; Teubner-Damster N; Wenig N; K. Schmulbach N; Dr. Heun N; Hofmann J
(sechs Stadtverordnete fehlten)  –  8 Ja, 14 Nein, 3 Enthaltungen

Kommentar: von Laubach hätte ein starkes parteiübergreifendes Signal an den Landkreis gesendet werden können, mit der Kreisumlage der Städte und Gemeinden sorgsam umzugehen. Leider gehorchen die Laubacher CDU, die Laubacher Grünen und auch Teile der Freien Wähler eher ihren Kreisleitungen als der Vernunft. Schade für Laubach, schade für den Kreis Gießen.

1 Kommentar

  1. Herr Roeschen; ich kann ihre Verärgerung verstehen.

    Ich gehe davon aus, dass sie zu den wenigen Lokalpolitiker zählen, welche wegen der Sachpolitik sich engagieren und nicht auf überhöhte Aufwandsentschädigungen und / oder völlig zu hoch bezahlten Stellen im Grenzbereich zwischen Parlament und Verwaltung “scharf sind”.

    Es ist auch gut, dass sie jetzt auch ihre offensichtliche Illusionen gegenüber den in ihrer Anfangsphase wirklich nicht zu dem herrschenden Block zählenden, aber inzwischen als Musterbeispiel dieses …… anzusehenden ehemaligen Umwelt- und Friedenspartei verloren haben.

    Es ist nun einmal so – und da gibt es sehr viele Beispiele in der Geschichte der Deutschen – dass diejenigen, welche “verspätet zum Zug gekommen sind” (eben an die Gulaschtöpfe der Herrschenden), durch besonders dreiste “Nachschlagverhalten” das Versäumte nachzuholen bemüht sind.

    Die Partei “Nato-Grünen” gehört in meinen Augen deswegen besonders hart politisch bekämpft.
    Deutschland braucht dringend eine wirklich neue Politik und nicht irgendwelcher Augenzuwischereien von ehemals Fortschrittlichen.