Wärme und Kälte fürs Philosophikum

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Nahmen die Kälteversorgung im Philosophikum 1 und 2 offiziell in Betrieb: Katherina Hannemann, Leiterin des Dezernats Liegenschaften, Bau und Technik bei der Justus-Liebig-Universität, Matthias Funk, Technischer Vorstand der Stadtwerke Gießen, Matthias Fink, Leiter der Abteilung Wärmeversorgung bei den Stadtwerken Gießen und Oliver Böttcher, Projektleiter Hochschulbau beim Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (von links).

Die Stadtwerke Gießen (SWG) und die Justus-Liebig- Universität weiten ihre enge Zusammenarbeit aus. Gestern nahmen Vertreterinnen und Vertreter beider Partner die neue Energiezentrale für das Philosophikum 1 und 2 in Betrieb. In den nächsten 16 Jahren liefern die SWG von hier aus Kälte in alle Gebäude.

Für ein konzentriertes Studium braucht es neben kompetenten Lehrkräften und geeigneten Räumlichkeiten auch die richtigen klimatischen Bedingungen. Im Philosophikum 1 und 2 der Justus- Liebig-Universität (JLU) sorgen die Stadtwerke Gießen (SWG) ab sofort für angenehme Temperaturen. Sowohl im Winter als auch im Sommer – mit umweltschonender Fernwärme und effizient erzeugter Kälte. Letztere entsteht in einer neuen Energiezentrale, die Vertreterinnen und Vertreter der Universität und der SWG am 1. September offiziell einweihten. Insgesamt haben die SWG rund 4,4 Millionen Euro in die Energiezentrale, das Kälteaggregat, die Hausanschlüsse, die Leitungsnetze sowie die nötige Mess- und Regeltechnik investiert.

Das Land finanziert diese Investition über einen Baukostenzuschuss und über den Bezugspreis für Energie im Rahmen des zwischen der Justus-Liebig-Universität und den SWG abgeschlossenen Energieliefervertrages. Dieses Projekt ist Teil einer umfassenden Neuordnung und Erweiterung der Infrastruktur im Philosophikum.

Europaweit der beste Anbieter

Dieses auch für die SWG außergewöhnlich große Projekt endet nicht mit der Inbetriebnahme der Anlage und der Versorgungsnetze. Denn die Universität und die SWG haben einen Contractingvertrag abgeschlossen, dessen Kern die Lieferung von Kälte für die nächsten 16 Jahre ist.

Zudem versorgen die SWG die Immobilien des Philosophikums mit Fernwärme. Die Energieexperten aus der Lahnstraße konnten mit diesem Gesamtpaket überzeugen und sich in einer europaweiten Ausschreibung durchsetzen. Gegenstand war die Finanzierung, Planung und die Errichtung einer neuen netzgebundenen Kälteversorgung inklusive Energiezentrale sowie die Lieferung und der Verkauf von Wärme und Kälte. „Es macht mich schon ein wenig stolz, dass wir uns mit unserem offenbar attraktiven Angebot durchsetzen konnten“, erklärt Matthias Funk, Technischer Vorstand der SWG, anlässlich der Einweihung. Aber nicht nur auf Seiten der Stadtwerke freut man sich über den Abschluss des Contractings. Katherina Hannemann, Leiterin des Dezernats Liegenschaften, Bau und Technik bei der JLU und als solche für Energieangelegenheiten zuständig, ergänzt: „Wir blicken auf eine jahrelange, für beide Seiten immer erfolgreiche Zusammenarbeit in puncto Wärme, Kälte und Dampf zurück. Ich bin sicher, dass auch hier im Philosophikum alles zu unserer Zufriedenheit abläuft.“

Für die Zukunft ausgelegt

Noch arbeitet in der Energiezentrale nur eine effiziente Kompressionskältemaschine mit 2,2 Megawatt Leistung. Doch das ist erst der Anfang. „Das Gesamtprojekt ist in zwei Abschnitte gegliedert“, verrät Matthias Fink, Leiter der Abteilung Fernwärme bei den SWG. Denn aktuell steht mit der Fertigstellung der Neubauten Seminargebäude II und dem „International Graduate Centre for the Study of Culture“ GCSC erst ein Teil der geplanten Gebäude, welche als HEUREKA-Maßnahmen gemäß dem Masterplan für den Campusbereich Philosophikum realisiert werden sollen. Aktuell hat der Neubau der Universitätsbibliothek begonnen und die weiteren Neubauprojekte für ein Seminargebäude und die Mensa sind in der Planung.

Selbstverständlich haben die Ingenieure den jetzt schon feststehenden Zubau berücksichtigt und die Netze entsprechend dimensioniert. Und der Zuwachs ist nicht zu unterschätzen: Die beheizte Fläche wird von gut 64.000 Quadratmetern um weitere knapp 53.000 Quadratmeter anwachsen, was den Wärmebedarf von etwa 10 Gigawattstunden um 4,8 Gigawattstunden steigen lässt. Um die nötige Wärme in die Gebäude zu bekommen, haben die SWG 3.550 Meter Leitung verlegt und das alte Wärmenetz vollständig erneuert. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Kälte. Die zu kühlende Fläche von derzeit etwa 51.200 Quadratmetern verdoppelt sich künftig nahezu. Ebendies macht ein zusätzliches Kälteaggregat in vergleichbarer Größe notwendig. Und ein Kältenetz von 2.900 Metern Länge. „Die nötigen Leitungen haben wir natürlich schon jetzt komplett verlegt, um nicht noch einmal graben zu müssen“, erklärt Matthias Fink.

Stichwort graben: Rohrleitungsbau bedeutet üblicherweise aufwendige Erdarbeiten und anschließende Wiederherstellung der Oberfläche. Speziell an dieser Stelle sah der Vertrag eine Besonderheit vor. So wurde etwa das vorhandene Pflaster weitgehend wiederverwendet. Zudem galt es, gestalterische Vorgaben an den Gebäuden und an der Außenanlage zu berücksichtigen. „Das ist perfekt gelungen“, freut sich Katherina Hannemann. Darüber hinaus hielten die SWG eine weitere Verpflichtung ein: Der universitäre Betrieb wurde über die gesamte Bauzeit aufrechterhalten. Und nicht zuletzt haben die SWG nicht mehr benötigte, alte Versorgungsleitungen abgebaut und fachgerecht entsorgt.

Fast drei Jahre

Bereits im Oktober 2018 begannen die SWG damit, das Leitungsnetz im Philosophikum 1 aufzubauen. Im Philosophikum 2 startete der Netzbau im März 2020. Eingebettet waren die Arbeiten in die Baumaßnahme des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen (LBIH) zur Neuerrichtung und teilweisen Erneuerung der technischen Infrastruktur für die geplanten Neubauten sowie die Bestandsbauten am Campusbereich Philosophikum. Die Energiezentrale entstand zwischen Oktober 2020 und Juni 2021. In der Zwischenzeit installierten die SWG die nötige Technik in den einzelnen Gebäuden.

„Für das Philosophikum 1 konnten wir schon im Sommer 2019 die Wärmelieferung aufnehmen“, erinnert sich Matthias Funk. Im benachbarten Areal strömte erstmals im August 2020 heißes Wasser aus dem Heizwerk in die Übergabestationen der verschiedenen Immobilien. Die Kältemaschine in der Energiezentrale ging im Juli dieses Jahres in Betrieb.