Gießen | Auf eine sehr gute Resonanz stieß der "Spaziergang durch die Geschichte von Oppenrod", der am Samstag am Bürgerhaus startete und nach dem Rundgang um und durch das Dorf wieder am Ausgangspunkt bei Kaffee und Kuchen endete. Ortsvorsteherin Renate Renger und Christian Götz (SPD-Ortsbezirk) begrüßten die rund 60 Anwesenden, zu denen auch die Bürgermeisterin von Allendorf mit Oppenröder Wurzeln Annette Bergen-Krause, Bürgermeisterkandidat Dirk Haas und der Alt-Oppenröder und langjährige ehrenamtliche Kreisbeigeordnete Werner Döring (Rödgen) gehörten. Dank galt dem "Zugereisten" Oppenrod-Kenner Herbert Kauer, der den historischen Rundgang kompetent moderierte.Seine Ausführungen stützten sich hauptsächlich auf Aufzeichnungen des früheren Bürgermeisters Ludwig Brück, der handschriftlich auf über 500 Seiten vieles aus der Vergangenheit in seiner Chronik festgehalten hat.
Erstmals erwähnt wurde Oppenrod in unterschiedlicher Schreibweise im Urkundsbuch des Klosters Arnsburg im Jahr 1245. Die Geschichte des Dorfes, das zunächst aus vier Höfen bestand, ist eng verbunden mit der des Busecker Tals. Hier war Durchmarschgebiet von Soldaten, die den Ort in Kriegszeiten belagerten.
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Spaziergang in die Vergangenheit von Oppenrod fand sehr gute Res (1)
Ein Schulgebäude mit späterer Lehrerwohnung gab es in Oppenrod mit wechselnden Standorten seit 1709. Erster Lehrer war Johannes Pitz. Der Gießener Stadtrat und Kulturdezernent Heinrich Bitsch war ebenfalls Lehrer in Oppenrod, wie auch Richard Tölg, der viele Jahre die acht Jahrgänge der einklassigen Volksschule mit großem Erfolg unterrichtete.
Bis etwa 1810 war der Friedhof bei der Kirche. Am 10. November 1883, 400 Jahre nach Martin Luthers Geburt, wurde die heute 135 Jahre alte als "Lutherlinde" bezeichnete Linde von Kirchenvorsteher Friedrich Hahn und Heinricht Fink III gepflanzt. Die Neuapostolische Kirche wurde am 10. April 1994 nach einem Umbau feierlich eingeweiht. Die frühere Bleiche an der Trafostation am Ende der Untergasse wurde 1964 zum Kinderspielplatz umgebaut. Elektrischen Strom gibt es seit 1913 in Oppenrod. Der dicht bepflanzte und 1949 von Naturschutzauflagen befreite Helgensberg und die Autobahn rücken ostwärts ins Blickfeld, wo sich jenseits der Autobahn unterhalb der Kartbahn an der Grenze zu Reiskirchen mit 210 Metern der tiefste Punkt der Oppenröder Gemarkung befindet.
Weiter geht der Spaziergang zum "Steinernen Haus", eine Flurbezeichnung, die darauf
schließen lässt, dass hier einst ein Schloss oder eine Burg gestanden haben könnten, denn "es sind ja Fundamente da". Jedenfalls hat sich die Phantasie der Ortseinwohner allzeit mit diesem Platz beschäftigt. Der Blick zum "Wingertsberg", wo früher dem Flurnamen gemäß Wein angebaut wurde und hinter die Autobahn lässt den Dautenberg mit dem Burkhardsfeldener Sportplatz und nördlich davon den "Monte Scherbelino", die stillgelegte ehemalige Kreismülldeponie bei Reiskirchen, auftauchen. Für den Bau der Autobahn, deren Übergabe am 4.12.1938 erfolgte, wurden in der Gemarkung Oppenrod 17,28 ha Land verbraucht.
Wassernot bestand erfreulicherweise zu keiner Zeit in Oppenrod. Zuletzt brachte eine Bohrung mit Pumpversuch am Häuserweg bei einer Tiefe von 80 Metern 13,5 Liter Wasser in der Sekunde, sodass seit 1976 sogar Großen-Buseck mit Oppenröder Trinkwasser versorgt werden kann. Vor dem Bau der Wasserleitung gab es in Oppenrod in 21 Gehöften jeweils eigene Brunnen. Das erste Wasser floss im August 1914 durch die Leitung und schmeckte nach Teer. Da die Rohre geteert waren, hatte das Wasser den Teergeschmack angenommen.
Der kurzen Rast im Lohwald folgten weitere interessante Begebenheiten: Die Baugenehmigung der Großherzoglichen
Oberbaudirektion Darmstadt in der Flur II auf einem Acker 100 Meter vom Anneröder Wald entfernt nach Eisen zu bohren und auf dem Rahberg die reichlich vorhandene Braunkohle abzubauen. Entdeckt hatte man den Stollen beim Bau des Kriegerdenkmals, nachdem eine mit vereinten Kräften wieder befreite Kuh beim Pflügen in ein Loch gefallen war. Neu für viele Teilnehmer des Spaziergangs durch die Geschichte Oppenrods war auch, dass sich die Firma Rovema in Oppenrod an der Hauptstraße zur B 49 niederlassen wollte, was jedoch verhindert wurde, weil es sich dort um fruchtbares Ackerland handelt. Den ersten Fernseher in Oppenrod gab es im Übrigen 1954 zur Übertragung des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft in der Gastwirtschaft "Zum kühlen Grund" zwischen Ungarn und Deutschland, das die deutsche Mannschaft nach dem Tor von Helmut Rahn zum 3 zu 2 gewann.
In den letzten Jahren des siebenjährigen Krieges war die Not in Oppenrod so groß, dass die Oppenröder sich im Lager der Franzosen in der "Schanz" Essen bettelten. Zu dieser Zeit hatte ein Oppenröder Bauer noch eine letzte Kuh im Keller versteckt, die jedoch von den Franzosen entdeckt und konfisziert wurde.
Dass im Haus Nummer 13 in der Hauptstraße einst eine Bierbrauerei mit Gastwirtschaft betrieben wurde, war eine weitere Neuigkeit, die Herbert Kauer gründlich recherchiert und zu berichten hatte. Ortsvorsteherin Renate Renger sprach ihm beim Abschluss im Bürgerhaus Dank und Anerkennung aus und überreichte ihm unter dem Beifall der inzwischen etwas dezimierten Wandergruppe ein Geschenk.