Gießen | Gießen - Kommunal- und Bildungspolitiker aus Hessen diskutierten auf Einladung des Gießener AfB-Vorsitzenden Dr. Jobst Krautheim am Samstag in der Kongresshalle bildungspolitische Herausforderungen, die sich aus dem demografischen Wandel für Städte und Gemeinden ergeben. Das Referat "Demografischer Wandel und schulische Bildung" von Prof.Dr. Horst Weishaupt vom Deutschen Institut für Bildungsforschung in Frankfurt/Main stand zunächst im Mittelpunkt der Fachtagung. Die hessischen Schulen stünden angesichts der Bevölkerungsentwicklung vor einem tiefgreifenden Wandel, sagte der renomierte Bildungsexperte. Er betonte, dass sich aus dem demografischen Wandel für die Schulpolitik vor allem die Herausforderung ergebe, die aus dem Arbeitsleben ausscheidenden geburtenstarken Jahrgänge durch mindestens gleich qualifizierten Nachwuchs zu ersetzen. Ohne erhebliche Anstrengungen im Bildungswesen sei das bei allerdings unterschiedlichen Bedingungen in den Städten und Gemeinden nicht zu erreichen. Während eher dünn besiedelte ländliche Kreise stark vom Schülerrückgang betroffen seien, stiegen Schülerzahlen in den Städten. Vor
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Schulische Bildung und demografischer Wandel - Herausforderung f (1)
allem in der Sekundarstufe II müsse in den nächsten Jahren mit Schülerrückgang gerechnet werden, was für berufliche Schulen eine besondere Herausforderung darstelle. Prof. Weishaupt schlägt unter anderem vor, die Bildungsanstrengungen bei den Kindern von Migranten zu intensivieren, Formen einer nachholenden Qualifizierung für Personen mit eher niedrigem Bildungsstand in den Fokus zu rücken und berufsbegleitende Bildungsgänge an Hochschulen und die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer zu verstärken. Zudem seien noch mehr Anstrengungen bei der Integration ausbildungsferner Jugendlicher, aber auch zum Ausbau der beruflichen Weiterbildung notwendig. Dies sind nur einige Voraussetzungen, damit die Wirtschaft ihren Qualifizierungsbedarf überhaupt in wirksame Nachfrage umsetzen kann, sagte der Referent.
Er nannte auch Folgerungen für die Standortsicherung kleiner Grundschulen, der Sekundarstufe I und der beruflichen Schulen. Für kleine Grundschulen zum Beispiel mit jahrgangsübergreifenden Klassen habe die Forschung bei entsprechender Lehrerqualifizierung bisher keine Nachteile für die Schülerinnen und Schüler feststellen können. Versuche zur Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Grundschulen seien denkbar. Verbundschulmodelle könnten ebenfalls zur Schulstandortsicherung beitragen.
In Podiumsdiskussionen, Workshops und Impulsreferaten wurden am Samstagnachmittag die Folgerungen für städtische und ländliche Regionen mit den Themen "Bildung und demografischer Wandel aus sozial- und jugendpolitischer Sicht" (Referent MdL Gerhard Merz, Gießen) , "Städte und Ballungszentren" (Stadträtin und Bildungsdezernentin Astrid Eibelshäuser, Gießen und Leitender Schulamtsdirektor i.R. Eberhardt Luft, Darmstadt) und "Ländliche Gebiete" (Schulamtsdirektor Lothar van Eikels, Fritzlar und Oberstudiendirektorin Elisabeth Hillebrand, Alsfeld/Schlitz) unter der Moderation von Philipp Sommer und Dr. Jobst Krautheim vertiefend behandelt.
Aus seiner Sicht als sozial- und stellvertretender bildungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion hob Gerhard Merz die Bedeutung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes hervor. Er betonte dessen zentrales Anliegen, positive Lebensverhältnisse für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten. Ein besonderes Gewicht legte er auf die frühkindliche Bildung, die von Eltern erfreulicherweise stark nachgefragt würde. Zentrale Aufgabe der Kindertagesstätten sei, Benachteiligungen zu vermeiden und Fördermöglichkeiten zu stärken. Die Sprachförderung sei dabei von besonderer Bedeutung.
Stadträtin Astrid Eibelshäuser: "In einer mobilen Gesellschaft ist ein hochwertiges, differenziertes Bildungsangebot vorzuhalten, durch Bildung das Armutsrisiko zu verringern und sozialen Aufstieg zu ermöglichen." Schulamtsdirektor Eberhard Luft (langjähriger Leiter des Staatlichen Schulamtes für den Main-Kinzig-Kreis in Hanau) betonte die Bedeutung von Ganztagsschulen und Schulsozialarbeit. Dies in der Fläche schulorganisatorisch zu realisieren und dabei den Auftrag der Inklusion zu erfüllen, stellt nach Ansicht von Lothar van Eikels, Schulamtsdirektor in Nordhessen, sowohl für die Schulaufsicht als auch für die Kommunen eine besondere Herausforderung dar. Elisabeth Hillebrand, Leiterin eines Gymnasiums in Alsfeld, betonte die Notwendigkeit der engen Verbindung von schulischer Bildung und der heimischen Wirtschaft. Die Betriebe müssten langfristige Bindungen zu Schulen und deren Absolventen aufbauen und den jungen Leuten berufliche Perspektiven ermöglichen. Nur so könne die Abwanderung von qualifizierten jungen Menschen in die Ballungsgebiete vermieden werden.