Gießen | Der Kirchenplatz hat sich spätestens nach der archäologischen Untersuchung als historisch bedeutsam erwiesen. Bedeutsam ist der Platz auch als zentraler Ort in Gießen. Dessen Umgestaltung hat kürzlich begonnen und soll im Sommer neu eröffnet werden.
Zu dem städtischen Vorhaben, eine moderne und attraktive Fläche für alle Bürger zu schaffen, hat die GZ die Bürgermeisterin und Baudezernentin der Stadt Gießen, Gerda Weigel-Greilich, befragt.
GZ: Haben Sie noch gute Erinnerungen an den alten Kirchenplatz oder freuen Sie sich, dass die Wiese aus dem Stadtbild verschwunden ist?
Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich: Bei der Planung für den alten Kirchenplatz im Jahr 1998 haben die Planer versucht die Idee zu verwirklichen, einen städtischen Platz und eine grüne Fläche zu schaffen. So ist es zu der alten Planung gekommen. Sie müssen wissen, dass es keine Wiese war, sondern ein Schotterrasen, der eine gewisse Belastung aushalten konnte. Es hat sich nach der Fertigstellung schnell herausgestellt, dass man es gut gemeint, aber nicht gut gemacht hat. Der Plan, beides zu vereinen, hat nicht funktioniert. Daher freue ich mich, dass auf dem Kirchenplatz, der Keimzelle der Stadt Gießen, eine
urbane Fläche entsteht. Ich freue mich darüber, dass unser historisches und gesellschaftliches Zentrum so gestaltet wird, wie es angemessen ist.
GZ: Am Entwurf für den neuen Kirchenplatz waren Bürger Gießens beteiligt. Wie hat sich der ursprüngliche Entwurf seit 2012 entwickelt beziehungsweise, wurde er nochmal kritisch hinterfragt?
Weigel-Greilich: Zu Beginn gab es einen offenen Workshop, bei dem sich bei guter Beteiligung mehrere Gruppen gebildet haben. Die Mehrheit der Teilnehmer unterstützte den Vorschlag des Magistrats – eine urbane Lösung. Im Rahmen eines anschließenden Wettbewerbs, den das Büro Köhler Landschaftsarchitekten aus Fernwald-Annerod gewonnen hat, wurden die Details ausgearbeitet, die auch mit der beteiligten Kirchengemeinde abgestimmt wurden.
GZ: Unter anderem werden Ornamente des ursprünglichen Kirchengebäudes in der Bodenpflasterung zu sehen sein. Daneben soll ein baulicher Hinweis auf die Wasserburg entstehen. Finden Besucher – vor allem Touristen – Informationen über die historische Bedeutung des
Kirchenplatzes vor Ort?
Weigel-Greilich: Es wird eine Lösung dafür geben. Dennoch hatten wir den Wunsch, dass der Platz ein Stück weit selbsterklärend ist. Ein weiteres Beispiel sind die Kanten der alten Stadt an der Mäusburg im Seltersweg. Besucher sollen
nachempfinden können, was die einzelnen Elemente bedeuten. Deswegen wurde die Idee, die Umrisse der gotischen Kirchen nachzuzeichnen, wieder verworfen.
GZ: Wurden die Geschäfts- und Gastronomiebetreiber rund um den Kirchenplatz in die Planungen einbezogen?
Weigel-Greilich: Die Gewerbetreibenden wurden zu den Workshops eingeladen. Ein Vertreter des anliegenden Kirchenladens war in der Jury an der Entscheidung zum Wettbewerb beteiligt.
GZ: Wurden demnach Maßnahmen getroffen, die direkt mit den ansässigen Gewerbetreibenden abgestimmt wurden?
Weigel-Greilich: ,Abgestimmt worden‘ ist nicht ganz zutreffend. Es wurden jedoch Wünsche berücksichtigt. Darunter gab es den Wunsch, dass es keine Treppenstufen gibt, damit der Platz besser genutzt werden kann. In der Planung entstand ein Gesamtbild aller Interessen.
GZ: Wenn ich die Oberbürgermeisterin, Dietlind Grabe-Bolz, zitieren darf, präsentiert sich Gießen immer als „junge und dynamische Stadt“. Welche Elemente des Kirchenplatzes werden junge Menschen ansprechen?
Weigel-Greilich: Ich glaube alle. Das ist jetzt ein offener,
großer Platz, den – so meine Empfindung – die jüngere
Generation attraktiver findet. Während meine Generation das engere, kleine, romantische Fachwerk in einer Altstadt, wie in Marburg, bevorzugt, habe ich den Eindruck, dass die jetzige Generation das Großzügige gut findet. Ich muss sagen, dass mir das Großzügigere selbst mittlerweile besser gefällt.
GZ: Gibt es Pläne, wofür der Kirchenplatz in Zukunft genutzt werden soll?
Weigel-Greilich: Der Kirchenplatz wird genauso genutzt, wie bisher. Hierfür wurde eine Übereinkunft zwischen der Stadt, der Kirchengemeinde, den Anwohnern und dem Ordnungsamt getroffen. Diese sieht zum Beispiel keine
dauerhafte, kommerzielle Nutzung vor. Vor allem die Anwohner sollen nicht stärker belastet werden, als bisher.
GZ: Eine Bürgerreporterin der GZ kommentiert die Kirchenplatz-Pläne: „Es war schon lange an der Zeit, dass der Kirchenplatz ein schöneres Gesicht bekommt. ... Hoffentlich wird es genügend Sitzgelegenheiten geben, die nicht von einer Gruppe aggressiver Trinker belagert werden.“ Auf dem Marktplatz ist das Thema Vandalismus nach wie vor aktuell. Inwieweit sorgt die Stadt dafür, dass der neue Kirchenplatz und dessen Besucher davon verschont bleiben?
Weigel-Greilich: Das ist auch ein Grund dafür, dass es auf dem Kirchenplatz keine freien Aufenthaltsgelegenheiten gibt. Dafür gibt es das Café und weitere Begegnungsstätten. Der Platz an sich wird vornehmlich für kleinere Aktionen, wie die vom Deutschen Roten Kreuz, genutzt.
GZ: Dennoch gibt es Sitzbänke und Gelegenheiten, sich auf dem Kirchenplatz aufzuhalten. Wird die Stadt gegen Obdachlose vorgehen, wenn sie den Platz dauerhaft nutzen?
Weigel-Greilich: Nein, das ist ein offener Platz, der allen Menschen gehört. Auch Obdachlose
gehören zu unserer Stadt und in unser Stadtbild. Natürlich muss darauf geachtet werden, dass der Platz nicht verschmutzt wird, aber es wird niemand vom Platz vertrieben, außer, es gibt strafrechtlich relevante Dinge.
GZ: Ist diese Bepflasterung trotz der Rillen für Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Gehstock geeignet?
Weigel-Greilich: Für diese Menschen ist es sicherlich schwieriger, aber dann müssten wir eine Asphaltdecke machen. Ich glaube nicht, dass das gewünscht ist. Das ist der Kompromiss, nachdem alle Interessen abgewogen wurden. Dafür haben wir darauf verzichtet, Stufen, Kanten und andere Stolperfallen zu machen, so dass der Platz komplett ebenerdig ist.
GZ: Es gibt grundlegende Kritik an der Bepflasterung. Es fallen Begriffe wie „Betonhauptstadt“ oder „Parkplatzbepflasterung“. Warum ist das graue Verbundpflaster die richtige Lösung für den Kirchenplatz?
Weigel-Greilich: Weil das Basalt, ein Stein aus unserer Region, für einen offenen Platz wie den neuen Kirchenplatz gut geeignet ist. Fahren Sie nach Südfrankreich, dort finden Sie ähnliche Plätze mit demselben Pflaster. Und alle finden es wunderschön.
GZ: Vielen Dank für das Interview.
Bei einer Umfrage unter Studenten der Justus-Liebig-Universität stießen die Pläne für den Kirchenplatz auf wenig Begeisterung und viele Verbesserungsvorschläge. Lesen Sie, was die Studenten zu sagen hatten.
GZ: Ist dir der alte Kirchenplatz bekannt?
Christian: Aus meinem ersten Semester hier in Gießen. Damals erinnere ich mich, dass auf dem Weihnachtsmarkt eine Eisbahn aufgebaut war. Dabei ist mir der Kirchenplatz das erste Mal aufgefallen.
GZ: Kennst du die Pläne für die Neugestaltung?
Christian: Die Umbaupläne sind mir bereits bekannt.
GZ: Wie ist deine Meinung zu den Umbauplänen?
Christian: Ich finde es sinnvoll, dass an dem Ort ein neuer Platz entsteht, damit der Platz wieder für eine Eisbahn oder sonstiges genutzt werden kann. Allerdings sieht der Platz langweilig aus, durch die vielen Pflastersteine. Es sieht eher aus wie ein Fussballplatz.
GZ: Findest du den neuen Platz offen und für junge Menschen gestaltet?
Christian: Ich wüsste nicht, was ich mit diesem Ort anfangen sollte. Der Platz wirkt sehr alleine gelassen. Man sieht Sitzgelegenheiten beim Türmchen. Ansonsten sieht der Raum sehr langweilig aus. Ich würde mich hier nicht hinstellen oder auf dem Platz Fussball spielen.
GZ: Hast du Verbesserungsvorschläge? Welche?
Christian: Ich würde in der Mitte Bepflanzungen vornehmen oder vielleicht auch Sitzbänke in der Mitte platzieren und nicht nur in die äußersten Ecken. Das wäre meine spontane Idee. Vielleicht wären auch mobile Sitzbänke eine Alternative, die man im Winter abmontieren kann.
GZ: Ist dir der alte Kirchenplatz bekannt?
Marvin: Ich kenne den Kirchenplatz, weil ich dort oft vorbei gehe.
GZ: Kennst du die Pläne für die Neugestaltung?
Marvin: Ich habe die Pläne vorher noch nie gesehen.
GZ: Wie ist deine Meinung zu den Umbauplänen?
Marvin: Der Platz sieht auf den Umbauplänen genauso aus wie jetzt. Die Veränderungen sind einfach nur unsinnig, wie ich finde.
GZ: Findest du den neuen Platz offen und für junge Menschen gestaltet?
Marvin: Es ist ein Pflastersteinplatz mit sechs Bäumen, wie vorher auch. Vorher standen an dem Ort vielleicht nur vier Bäume und die Wiese war matschig.
GZ: Hast du Verbesserungsvorschläge? Welche?
Marvin: Ich weiß nicht genau. Ich finde solche Plätze in der Stadt sinnlos. Wenn dort kein Markt ist, gehe ich nicht hin. Eine Sitzbank auf einer gepflasterten Fläche habe ich auch bei mir vor der Haustüre. Da steht zwar kein Baum aber es ist im Grunde das gleiche.
GZ: Ist dir der alte Kirchenplatz bekannt?
Larissa: Der alte Kirchenplatz ist mir als Gießener vom Vorbeilaufen bekannt.
GZ: Kennst du die Pläne für die Neugestaltung?
Larissa: Die Pläne sehe ich jetzt das erste Mal. Ich habe mich damit aber bisher auch nicht wirklich beschäftigt.
GZ: Wie ist deine Meinung zu den Umbauplänen?
Larissa: Das neue Erscheinungsbild wirkt etwas moderner. Dennoch lohnen sich die Veränderungen aus meiner Sicht nicht.
GZ: Findest du den neuen Platz offen und für junge Menschen gestaltet?
Larissa: Naja, viel attraktiver als vorher ist der Platz durch die geplanten Neuerungen nicht geworden.
GZ: Hast du Verbesserungsvorschläge? Welche?
Larissa: Vielleicht wären ein paar mehr Sitzgelegenheiten sinnvoll. Ich finde das Wasserspiel und die wenigen Sitzgelegenheiten ungünstig verteilt, weil mir die riesen Freiflächen in der Mitte nicht gefällt. Scheinbar gehöre ich nicht zu den typisch jungen Leuten, wenn dieser Plan junge Menschen ansprechen soll.
GZ: Ist dir der alte Kirchenplatz bekannt?
Patrick: Der alte Kirchenplatz ist mir bekannt. Ich muss dazu sagen, ich selbst komme nicht aus Gießen. Gießen war mir aber trotzdem vor Studienbeginn bekannt, weil ich hier Bekannte habe die an der JLU studieren und in der Nähe vom Kirchenplatz wohnen. Durch die Besuche ist mir der Kirchenplatz sehr präsent in Erinnerung.
GZ: Kennst du die Pläne für die Neugestaltung?
Patrick: Die Pläne der Neugestaltung sehe ich gerade das erste Mal.
GZ: Wie ist deine Meinung zu den Umbauplänen?
Patrick: Der neue Kirchenplatz sieht ein bisschen luftiger, freundlicher und grüner aus. Das könnte allerdings auch an der Computergrafik liegen, die den Platz etwas hübscher darstellen lässt. Ansonsten ist dennoch eine gewisse Ähnlich zum alten Kirchenplatz zu erkennen. Der Platz ist in Zukunft sehr zugepflastert, während es vorher mehr Wiese gab. Die Aufnahmen vom alten Kirchen zeigen eher die Wintersituation. Ich würde fast sagen, der alte Kirchenplatz gefällt mir etwas besser. Während der neue Kirchenplatz sehr grau und zugepflastert ist hatte der alte Kirchenplatz noch etwas Wiese.
GZ: Findest du den neuen Platz offen und für junge Menschen gestaltet?
Patrick: Das Argument von Frau Weigel-Greilich ist sehr schlecht, denn ich finde diesen Platz für junge Leute ohne Sitzgelegenheiten nicht so ansprechend. Gießen hat sehr viele Studenten, die gerne etwas Unternehmen und abends ein Bier trinken möchten. Wenn es dafür allerdings nicht ausreichend viele Sitzgelegenheiten auf dem neuen Platz gibt, ist das sehr schlecht. Auf dem Platz rumstehen ist blöd und auf dem Pflaster will auch niemand sitzen. Unabhängig vom Alter müssten generell mehr Sitzgelegenheiten vorhanden sein.
GZ: Hast du Verbesserungsvorschläge? Welche?
Patrick: Gießen ist ja sowieso schon eine sehr graue und zubenonierte Stadt an einigen Stellen. Ein so zentraler Platz sollte nicht auch noch zusätzlich mit grauen Pflastersteinen zugemauert werden. Der Platz sollte grüner sein, auch im Winter grün sein. Das heißt ein paar Grasflächen und weitere Sitzgelegenheiten wären schön.
GZ: Ist dir der alte Kirchenplatz bekannt?
Franziska: Ja. Ich bin auf die Ricarda-Huch-Schule gegangen. Die ist genau um die Ecke und dementsprechend bin ich Tag täglich am Kirchenplatz vorbeigelaufen.
GZ: Kennst du die Pläne für die Neugestaltung?
Franziska: Ja, ich habe ein großes Plakat gesehen mit einem Bild wie der Platz mal aussehen soll. Aber im Detail habe ich mir das Plakat nicht angeschaut.
GZ: Wie ist deine Meinung zu den Umbauplänen?
Franziska: Ich muss sagen, eigentlich gefällt mir der alte Kirchenplatz besser, weil der neue Platz sehr steril wirkt. Es ist alles gepflastert und passt zum wenig einladenden Stadtbild von Gießen. Gerade junge Leute sitzen im Sommer gerne draussen im Gras und weniger gerne auf dem gepflasterten Boden. Ich finde den Platz nach der Neuplanung eher schlechter.
GZ: Findest du den neuen Platz offen und für junge Menschen gestaltet?
Franziska: Mehr Bepflanzungen wären nicht nur für junge Leute schön gewesen. Vielleicht hätte ich aber auch den alten Platz so gelassen und eine neue Rasenfläche angelegt. Grün sieht einfach einladender aus. So ist es wirklich sehr kühl, steril und man fühlt sich nicht wohl. Mehr Pflanzen hätten den Platz einladender gestalten können. Das alte Gelände hätte besser gepflegt werden können und mit richtigen Wegen laufen die Leute auch die Grünfläche nicht kaputt. Das sieht man ja am Beispiel der Landesgartenschau.
GZ: Hast du Verbesserungsvorschläge? Welche?
Franziska: Mir gefällt der neue Platz gar nicht. Es ist mir alles zu grau und die Atmosphäre sehr kühl. Auf der Grafik sieht sieht der Platz zwar schön aus aber ich finde den Platz nicht schön und will mich dort nicht aufhalten. Blumen und Sitzmöglichkeiten wären sehr wichtig für die schöne Gestaltung. Junge Leute zieht aber bei schönem Wetter eher auf die Lahnwiesen. Wenn man in der Stadt wohnt sucht man im Sommer die Natur und generell gemütliche Ecken.