Gießen | Es ist morgens kurz nach zehn Uhr. In der Küche der „Alten Klostermühle“ im Kloster Arnsburg starten gerade die Vorbereitungen für den Mittagstisch. Die nach einem Pächterwechsel seit August wieder geöffnete Gastronomie gehört in Stadt und Landkreis Gießen zu den 2461 kontrollpflichtigen Betrieben. Das können Restaurants genauso sein wie Supermärkte, Firmen oder auch Feste.
Sieben amtliche Lebensmittelkontrolleure vom Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Landkreises Gießen sind täglich damit beschäftigt, die Lebensmittelhygiene zu überprüfen. Frank Homfeld ist einer von ihnen und besucht an diesem Tag das Restaurant. Begleitet wird er von dem Ersten Kreisbeigeordneten Dirk Oßwald und Fachdienstleiter Dr. Bruno Scherm. Anlass ist die Vorstellung der Jahresbilanz 2014.
Frank Homfeld kennt die „Alte Klostermühle“ seit vielen Jahren, bevor sie von Marcus Geist übernommen worden ist. „Fast ein Jahr lang war hier nach dem Wechsel geschlossen. Abflüsse, Kühlung, Heizkörper – alles ist jetzt neu“, berichtet er während des Rundgangs, der zunächst in das Herz der Küche mit ihrem großen Herd führt sowie
in Spülraum und Vorbereitungsküche. Nicht nur die Maschinen werden begutachtet, sondern auch Arbeitsabläufe und Hygiene. „Sie haben wirklich viel gemacht“, lobt der Lebensmittelkontrolleur den neuen Inhaber. Außerdem untersucht er unter anderem Lebensmittel nach dem Haltbarkeitsdatum und ermittelt bei Kühl- und Tiefkühlware mit einem digitalen Messgerät, ob die Temperatur stimmt.
Neben dem Produktionsbereich überprüft er das Lager und die Umkleide für das Personal. Hier ist noch geringfügig Nachbesserung notwendig. „Die Trennung von Straßen- und Arbeitskleidung muss hier noch deutlicher werden.“ Sagt und notiert es, genauso wie Hausmeister Christoph Leibinger, der bei Bedarf bauliche Veränderungen umsetzt.
Routinekontrollen, die bei Gaststätten in der Regel einmal jährlich stattfinden, kosten den Betreiber nichts. Im Jahr 2014 wurden im Landkreis Gießen insgesamt 3538 Betriebskontrollen durchgeführt. Bei etwa 13 Prozent der kontrollierten Betriebe haben Prüfer Verstöße festgestellt. Häufige Mängel betreffen die Betriebshygiene und Schwächen in den Eigenkontrollmaßnahmen.
Weiter geht es in das Lager. „Sie haben die uralten Kühlhäuser ausgetauscht“, bemerkt der Kontrolleur. Weiter geht es zu dem großen Backofen, unter anderem für Flammkuchen. Darunter stehen, nebeneinander aufgereiht, die typischen Brettchen. „Tauschen Sie die aus, wenn Furchen durch das Schneiden zu sehen sind?“, fragt Frank Homfeld. „Wir haben extra dafür einen Vorrat an Ersatzbrettchen“, antwortet der Gastronom Marcus Geist.
Nach der Begutachtung der hauseigenen Konditorei sagt Frank Homfeld zusammenfassend: „Hier ist fast alles optimal.“ Die „Alte Klostermühle“ sei ein Vorzeigebetrieb in Sachen Hygiene und Lebensmittel-Sicherheit. Wäre das Gegenteil der Fall, gäbe es bei schwerwiegenden Problemen eine kostenpflichtige und zeitnahe Nachuntersuchung. Bei noch gravierenderen Fällen müsste ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden. Im Extremfall können die Kontrolleure sogar Produktionen oder Betriebe sofort schließen. Die Rote Karte ist aber eine Seltenheit. Eine vorübergehende Betriebsschließung hat es im vergangenen Jahr deshalb nur in fünf Fällen gegeben.
„Die amtliche Lebensmittelüberwachung trägt dazu bei, den Verbraucher vor allem vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen“, erläutert Fachdienstleiter Dr. Bruno Scherm. Bei den Inspektionen decke sie außerdem gezielt irreführende Werbung oder Täuschungen auf, wenn es um den Kauf und Verzehr von Lebensmitteln, kosmetischen Mitteln und Bedarfsgegenständen gehe.
„Die Kontrolleure achten darauf, ob in allen lebensmittelverarbeitenden Betrieben die einschlägigen Hygienevorschriften eingehalten werden.“ Zusätzlich informieren und beraten die Mitarbeiter des Amtes Betriebe und Hersteller in Fragen der Hygiene (2014: 871 Beratungen) und halten engen Kontakt zu Verbraucherverbänden.
Auch bei größeren Festen sind die Lebensmittel-Kontrolleure des Landkreises präsent. Behutsam werden die Inhaber eines Betriebs oder eines Verkaufsstandes auf Festen auf hygienische Mankos hingewiesen und erklärt, wie und bis wann diese behoben werden müssen. Während die Besuche für Gastronome zum Geschäft gehören, sind sie für Vereine oft auch ungewohnt. „Ich bekomme aber immer wieder positive Rückmeldungen über die kooperative Art der Lebensmittelkontrolleure“, lobt Dirk Oßwald sein Team. Die Lebensmittelkontrolleure entnehmen auch Proben. Von den im vergangenen Jahr entnommenen 893 Proben mussten sieben Prozent der Produkte beanstandet werden.
Häufige Gründe waren: die Aufmachung der Produkte, Verunreinigungen und mikrobiologische Mängel.
Hin und wieder finden die Kontrolleure aber auch Lebensmittel, von denen eine gesundheitliche Gefahr ausgeht, etwa wenn sie von Ungeziefer befallen oder verdorben sind. Wegen hygienischer Mängel wurden 2014 rund feine Backwaren (850 Kilogramm), Obst und Gemüse (610 kg), Gewürze (290 kg), Milchprodukte (80 kg), Fisch (39 kg) und Wurstwaren (31 kg) sichergestellt. „Diese Lebensmittel mussten dann beseitigt werden, was auch vom Amt kontrolliert wird“, erläutert Bruno Scherm. Teilweise wurden sie auch unter Benachrichtigung der für den Hersteller zuständigen Überwachungsbehörde an die Hersteller zurückgeschickt.
Nach EU-rechtlichen Bestimmungen trägt die Lebensmittelwirtschaft die Hauptverantwortung für sichere Lebensmittel. Eine hundertprozentige Sicherheit durch die amtliche Lebensmittelüberwachung gibt es zwar nicht. „Das Kontrollnetz ist jedoch sehr dicht. Der weitaus größte Teil der Lebensmittelbetriebe arbeitet ohnehin verantwortungsbewusst“, betont der Gesundheitsdezernent des Landkreises. Allerdings ließen sich kriminelle Machenschaften weder durch verschärfte Sanktionen, weitere Gesetzesvorschriften oder erhöhte Kontrollfrequenzen völlig ausschließen. Um den Anteil derjenigen zu reduzieren, die verantwortungslos arbeiten, sind die Behörden auch auf Hinweise der Verbraucher angewiesen. „Sie spielen an dieser Stelle eine entscheidende Rolle“, sagt Dirk Oßwald.
Fragen und Beschwerden besorgter Bürger werden beim Fachdienst Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz vertraulich behandelt. Hierzu können sich Bürgerinnen und Bürger unter der Telefonnummer 0641 9390-6200 oder der E-Mail-Adresse poststelle.avv@lkgi.de an das Amt wenden.