Ein Hinweisschild - laut Gießener Gerichten kein Hinweis auf fehlende Fahrkarte!
Gießen | Fahrpreise halten Menschen davon ab, den öffentlichen Verkehr zu nutzen. Würden mehr Menschen Busse und Bahnen nutzen, könnten mehr Linien in dichterem Takt fahren – auch in abgelegene Bezirke und Regionen. Innenstädte würden vom Autogedränge befreit und lebenswerter. Fahrpreise gelten als sozial ungerecht, weil alle gleich viel bezahlen müssten. Menschen, die unter den Armutsgrenzen leben, können sich Mobilität oft nicht leisten. Tausende, die das trotzdem machen, sitzen im Gefängnis – nur wegen Schwarzfahrens. Nicht-Deutsche werden abgeschoben – weil Schwarzfahren eine Straftat ist und sie so ihren Aufenthaltsstatus verlieren. „Es ist Wahnsinn, welchen Aufwand die willigen Vollstrecker des Systems in Robe und Uniform betreiben, nur um Kapitalinteressen zu dienen“, schimpft Jörg Bergstedt. Er hat eine Kampagne gegen das ständige Strafen angeleiert und träumt davon, dass der öffentliche Nahverkehr in Zukunft kostenlos wird. „Nulltarif für alle ist echte Umverteilung“. Zusammen mit einigen Mitstreiter_innen kritisiert er zudem die fehlende Effizienz von Fahrpreisen: Ein guter Teil der Einnahmen würde schon durch Fahrkartenverkauf, Automaten, Kontrolle und Werbung verschlungen. Hinzu kämen die Kosten für Strafverfolgung und –vollzug sowie die Kosten für Straßen, Parkplätze, Gesundheits- und Umweltschäden durch den massiven Autoverkehr.
Zwei Strafprozesse
Bergstedt steht am 3. und 5. März in Gießen vor Gericht. Der zweite Termin ist bereits die zweite Instanz. Das Amtsgericht hatte ihn wegen „Erschleichung von Leistungen“ verurteilt, obwohl er ein deutliches Hinweisschild trug. Den Richter hatte nicht interessiert, dass Urteile des Oberlandesgerichts in Frankfurt und des Bundesgerichtshofes nur solches Fahren ohne Fahrkarte unter Strafe stellen, welches den „Anschein der Ordnungsmäßigkeit“ erweckt. Kommentare zum Gesetzestext gehen noch weiter: „Kein Erschleichen ist es, wenn der Täter offen zum Ausdruck bringt, die Beförderung unentgeltlich in Anspruch zu nehmen.“ Genau das hatte Bergstedt gemacht. Nun muss das Landgericht den Spruch des Amtsgerichts überprüfen. Bergstedt hat wenig Hoffnung und viele schlechte Erfahrungen mit der Justiz in Gießen: „Die Justiz ist die Hure des Fürsten - so sagte es schon Georg Büchner. Heute sind die Regierenden und das Kapital die Fürsten. Für sie erfinden Polizei und Gerichte Straftaten, fälschen Beweise und beugen das Recht.“ Der Angeklagte war in der Vergangenheit mehrfach in spektakulären Prozessen verurteilt und sogar mit nachweislich erfundenen Straftaten eingesperrt worden. Höhere Gerichte bescheinigten der Gießener Polizei und Justiz damals Verfassungsbrüche und Anwendung von Recht aus Zeiten des Dritten Reiches. Ob es auch diesmal soweit kommt, werden die Tage Anfang März zeigen. Die endgültige Entscheidung wird voraussichtlich aber erst auf den höheren Ebenen fallen, wo dann die rechtlichen Fragen im Vordergrund stehen. Immerhin hat es auch schon Freisprüche für gekennzeichnetes Schwarzfahren gegeben.
Nulltarif im öffentlichen Verkehr
Der Gießener Angeklagte ist nicht der einzige, der mit Hinweisschild schwarz fährt und trotzdem mit der Justiz in Konflikt kommt. Fast zehn Personen stehen zur Zeit in verschiedenen Städten vor Gericht. „Nicht das gekennzeichnete Fahren ohne Fahrkarte ist rechtswidrig, sondern seine Bestrafung. Ich nenne das Schwarzstrafen, denn das Strafen ist der eigentliche Rechtsbruch dabei!“ Die Nulltarif-Streiter_innen habe ihre Kampagne denn auch „Schwarzstrafen“ getauft. „Es ist absurd: Jedes Gericht denkt sich einen anderen Trick aus, um verurteilen zu können: In Bonn muss mensch beim Schaffner einsteigen, in Starnberg dem Lokführer Bescheid geben. In Gießen soll der Spruch „Ich fahre umsonst“ nicht eindeutig sein – in anderen Städten wird er verstanden.“ Die ständigen Verurteilungen trotz entgegenstehender Rechtsgrundlagen würden die politischen Interessen zeigen, die hinter Gerichtsverhandlungen stehen. Dabei handeln die Betroffenen nicht einmal nur eigennützig, sondern wollen eine überregionale Kampagne für Gratis-Nahverkehr anstoßen. Ihre Strategie: „Wenn Schwarzfahren mit Kennzeichnung straffrei ist, darf mensch dazu aufrufen und dafür sorgen, dass es viele machen. Dann muss sich der Gesetzgeber bewegen.“ Es käme dann auf ausreichenden politischen Druck an, dass statt einer Verschärfung des Gesetzes die Einführung des Nulltarifs kommt. Ihre Ziele haben sie auf einer Internetseite (www.schwarzstrafen.de.vu) zusammengefasst. Bis dahin wäre es ein weiter Weg. Ein erster Schritt und überregionales Signal wären Freisprüche am 3. und 5. März in Gießen.
Die genauen Termine:
• Di, 3.3., ab 9.30 Uhr im Amtsgericht Gießen (Gutfleischstr. 1, 35390 Gießen): Saal 204 im Gebäude A): Verhandlung wegen Schwarzfahrens mit Hinweisschild - eine rechtlich komplett frei konstruierte Straftat (gibt es gar nicht) ++ zweite Anklage gegen dieselbe Person innerhalb kurzer Zeit mit Anklageschrift (Haftstrafe droht)
• Do, 5.3. ab 8.30 Uhr im Landgericht Gießen (Ostanlage/Ecke Gutfleischstraße, Raum 015): Berufungsverhandlung wegen Schwarzfahrens mit Hinweisschild - eine rechtlich komplett frei konstruierte Straftat (gibt es gar nicht) ++ zweite Instanz (also anderes Verfahren als das vom 3.3.)
Informationen, Gesetzestexte und –kommentare, Urteile und Studien zum Nulltarif unter www.schwarzstrafen.de.vu.
Kontakt zum Angeklagten: c/o Projektwerkstatt, 06401-903283, kobra@projektwerkstatt.de
Gibt es für "Wenn man eine Dienstleistung nutzt, sollte man auch dafür zahlen" auch eine Begründung? Oder wird das als Naturgesetz behauptet, wie ja alles erscheint, was der Kapitalismus mit sich bringt? Ganz viel "Dienstleistung" wird ja nicht bezahlt, sondern einfach so gemacht (auch wenn der Kapitalismus alles zu erobern versucht) ...
Oh man. Der Bus muss bezahlt werden, der Fahrer, Reinigungspersonal, Sprit, der Bus muss gewartet werden, das Personal geschult und weiter gebildet... Und das Geld dafür fällt wie Mana vom Himmel?
Es ist O.K. Sozialtarife und Ermässigungen zu veranschlagen aber nur kostenlos funzenuckelt nicht.
"Tausende, die das trotzdem machen, sitzen im Gefängnis – nur wegen Schwarzfahrens. Nicht-Deutsche werden abgeschoben – weil Schwarzfahren eine Straftat ist und sie so ihren Aufenthaltsstatus verlieren."
Diese Sätze irritieren mich sehr, da ich diese für total überzogen halte.
Wiederholungstäter müssen evtl. mit einer Strafverfolgung rechnen, sofern dies von Amtes wegen für geboten gehalten wird.
Als regelmäßiger Busgast habe ich bisher nur Bußgeldbescheide beobachtet, wenn jemand bei einer "Beförderungserschleichung" erwischt wird. Seit 2015 wird eine Geldstrafe in Höhe von EUR 60,00 erhoben - aber von massenhaften (!) Gefängnisstrafen erfuhr ich bisher nur durch Ihren Beitrag.
Was die Hilfsbedürftigen Migranten angeht, lässt man diese sogar in Ruhe, wenn Sie in eine Kontrolle geraten. - Das Verhalten haben sich auch die Busfahrer angeeignet. Verständigungsschwierigkeiten und Zeitmangel ist wohl der Grund - Abschiebepraxen wegen Schwarzfahrten ist hier ebenfalls an der Realität vorbei berichtet.
Ist ja spannend hier. Offenbar geht gleich eine Empörung vom Sofa ab. Dass Fahrer_innen usw. bezahlt werden müssen, ist im Kapitalismus so. Aber selbst da sind Fahrkarten eher uneffizient, weil ca. 20% der Einnahmen in das Fahrkartenwesen selbst gehen. Noch schlimmer ist der Kommentar mit den Zweifeln an Zahlen von Gefangenen. Offenbar haben alle bisherigen Kommentator_innen nichts recherchiert, sondern aus dem Bauch heraus geantwortet. Dabei war www.schwarzstrafen.de.vu als Quelle angegeben, wo alles soweit belegt ist. Aber einfach draus los empören, ist ja Zeitgeist ... tschuldigung, dass ich das eintrainierte Denken da irritiere. Tue ich aber gern. Eine bessere Welt kommt eben nicht dadurch, dass mensch alles für unmöglich hält oder irritiert ist, wenn die selbstgezimmerte "Realität" mal in Frage gestellt wird. Jedenfalls: In Großstädten wie Berlin sind Schwarzfahrer_innen die Hauptinsaasen in Knästen. Das ändert sich auch nicht, wenn mensch lieber wegguckt (wobei: Strafen ist übrigens immer falsch ... www.welt-ohne-strafe.de.vu ist die eigentlich bessere Forderung gegenüber "nur" einer Welt ohne Fahrkartenkontrollen!).
Hallo Herr Bergstedt,
zuersteinmal danke für den Artikel, der ein kontroverses Thema aufgreift.
"In Großstädten wie Berlin sind Schwarzfahrer_innen die Hauptinsa(a->s)sen in Knästen"
--> Gibt es dazu belastbare Zahlen? Das hört sich an wie eine Werbebotschaft a'la "Dieses Windows ist das Beste und effektivste aller Zeiten".
Allerdings gebe ich Ihnen Recht, dass durchaus einmal darüber nachgedacht werden sollte, ob ein "frei Fahren" für die Gesellschaft nicht ein enormer Gewinn darstellen könnte.
Wenn ich bedenke, welche Kosten alleine durch Straßenarbeiten oder -neubauten entstehen und wie sich das Verkehrsgeschehen wohl auswirken würde, wenn man wahlweise kostenfrei mit dem Bus direkt in die Stadt oder bequemer mit dem Auto ins Parkhaus fährt (mit allen dadurch entstehenden Kosten).
Ein anderer Aspekt ist hierbei allerdings noch gar nicht berücksichtigt:
Schulkinder bekommen die Fahrkartenerstattung nur unter bestimmten Vorraussetzungen und für die Oberstufe gar nicht.
Eine vom Status der Eltern unabhängige Förderung der Kinder ist damit ausgeschlossen. Unsere Gesellschaft kann sich eigentlich keine Bildungsverlierer "Aufgrund der sozialen Herkunft" leisten.
Wie kommen Sie eigentlich auf "weil ca. 20% der Einnahmen"? Haben Sie hierzu belastbare Aussagen oder sind das Schätzungen (von wem)?
Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Prozentsatz viel höher ist und ggf. sogar über 100% liegt, wenn sämtliche, durch die Wartung der entsprechenden Anlagen entstehenden Kosten, innerhalb und außerhalb der Busse, mit berücksichtigt werden.
Wie wäre es denn, wenn man wenigstens junge Menschen (sagen wir bist 25 Jahre) kostenlos und das in ganz Deutschland fahren lassen würde?
Von meinen eigenen Kindern weiß ich, dass die junge Generaion sich längst nicht mehr so viel aus Autos macht, wie es noch zu meiner Generation war. Ich denke das ist auch ein Stück gelungene Umwelterziehung, die mittlerweile zum Glück in unserer Gesellschaft verankert ist.
Daß Schwarzfahren nicht als Ordnungswiedrigkeit sondern bereits beim 1. Mal als Straftat geahndet wird, ist mir auch neu. Können Sie hierfür entsprechende belastbare Quellen vorweisen?
Da Sie bewust provokant in ein Wagnis gegangen sind indem Sie offensiv am System etwas verändern wollten, ist eine Überreaktion des Systems verständlich. Auch wenn ich dieses nicht gutheiße und ggf. Rechtsbeugung vorliegt, heißt das noch nicht, daß dieses auf alle Fälle von Schwarzfahren übertragbar ist. Ich selbst bin schon öfters in meinem Leben 'erwischt' worden ohne jemals dadurch verurteilt worden zu sein.
Im Übringen bin ich kein Mensch, der wegguckt und (ebenso wie Sie) meinen Standpunkt behaupte, egal wer vor mir steht. Allerdings finde ich es auch wichtig, dass die Staatsorgane Ihre Aufgabe erfüllen sollen und wir als Bevölkerung dabei unterstützend tätig werden müssen.
Wenn jedoch das Recht zu ungunsten des Schwachen gebeugt wird, dann sollten wir Deutschen im Kleinen wie im Großen schon unserer besonderen Vergangenheit wegen alles daran setzen, dass das Recht wieder hergestellt wird. Das gilt z.B. insbesondere für alle Verfassungsschutzorgane in diesem Land!
Ich bin zu den beiden Terminen leider nicht im Lande sonst wäre ich gerne zu den Gerichtsterminen erschienen um mir ein Bild (von dem Realtheater) zu machen.
@Herr Schmidt: Haben Sie den Eindruck, dass der Fahrpreis die Kosten des ÖPNV deckt? Nur zu einem kleinen Teil! Der Rest wird aus Steuergeldern aufgefüllt. Wer bestimmt eigentlich wieviel? Und warum wird überhaupt subverntioniert. Haben Sie sich das schon einmal gefragt?
Vor diesem Hintergrund ist die Fragestellung durchaus berechtigt.
Aus Ihrem Profilbild entnehme ich, dass Sie sicherlich noch keine Kinder im Oberstufenalter haben ;-) Die Welt ist voller Farben!
Herr Bergstedt, die Forderung in Ihrer Überschrift ist zu unterstreichen.
Ich fahre mehrmals die Woche mit dem Stadtbus, und muss sagen, dass nur zu den Schulanfangs- und Schulschlusszeiten die Busse gut gefüllt sind. Vormittags, und auch an Nachmittagen ist es keine Seltenheit, dass wir mit 3 - 5 Fahrgästen durch ganz Gießen rollen.
Das Gehalt für die Busfahrer/innen , die Wartungs- und Energiekosten verringern sich in keinster Weise. Busfahren für alle !!
Was sagt denn die Lobby der Auto-Industrie dazu ??
Ja ich weis, diiiiese Kapitalisten -sind aber auch Arbeitsplätze.
Für Schüler, Studenten und sozial schwache Rentner wäre eine kostenlose Busfahrt sicher angebracht - aber alle !!!????
@ Bernd
sicher, wir wissen alle, dass die LaGa-Millionen sozialer eingesetzt werden konnten. Da bin ich ganz bei Dir.
@ Christine
auch in den Abendstunden ( Feierabend ) werden die Busse recht gut genutzt. Viele berufstätige Bürger nutzen inzwischen diese Alternative zu den in den "Stoßzeiten" völlig überlasteten, verstopften Strassen in der Stadt ( incl. Ring )
"Florian Schmidt aus Gießen" fragt "am 07.02.2015 um 00:34 Uhr": "Sind sie besoffen, bekifft oder nur weltfremd?"
Herr Schmidt herzhaft über diese Frage gelacht ...... scheinbar kennen sie sich im Giessener "Biotop" nicht so gut aus. Herr Bergstedt ist weit über die Grenzen der Region bekannt geworden, quasi bekannt wie "ein bunter Hund". Als was eigentlich kann Herr Bergstedt korrekt bezeichnet werden .... ???? ..... na ja, die Antwort wird sicherlich je nach politischen Standort ganz unterschiedlich ausfallen.
Aber unabhängig von der Person Bergstedt ist doch die Frage "Nulltarif für den OEPNV" früher oder später hochinteressant.
Ich hoffe die Bürgerreporter, welche hier in der Onlineausgabe der GZ von ihrem Fahrgastverband berichten, schalten sich in diese Kommentarkolonne ein.
bessere Verbindungen werden nur durch auslastung erreicht. bessere verbindung bedeutet auch bessere besucherzahlen in der stadt. das wiederum kurbelt die wirtschaft an. der stadtbuss wird sowieso subventioniert um am leben zu bleiben. ich kann mir nicht vorstellen das es sich traegt fuer das unternehmen mit dem bus ca 2 haende voll personen zu befoerdern. die 2,50 im stadtbereich duerften da nicht reichen.
warum nicht den versuch wagen . innerstaedtisch natuerlich um die innenstadt zu entlasten. kostenloser busverkehr bedeutet weniger autos im innenstadtbereich. bei der parkplatzsituation und auslastung der strasse eine sinnvolle masnahme.
Ich setze hier mal eine der Quellen rein - übrigens auch die für die bis zu einem Drittel Gefangenen wegen Schwarzfahren (für alle, die nicht einfach dem Mainstream glauben, sondern sich das selbst angucken, wie die Verhältnisse hinter Mauern und Stacheldraht sind - und welchen Zweck Strafe im Kapitalismus verfolgt!):
Text "Berliner Richter haben Schwarzfahrer satt", auf: LawBlog am 7.6.2011
https://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/06/07/berliner-richter-haben-schwarzfahrer-satt/
Schwarzfahren – Straftat oder Kavaliersdelikt? Berliner Richter stehen jedenfalls vor einem Berg von Verfahren gegen Schwarzfahrer. Bis zu jeder dritte Prozess gegen Erwachsene soll sich in der Hauptstadt um dieses Delikt drehen, bei Jugendlichen jeder Fünfte. Einige Richter wollen jetzt die Notbremse ziehen. Sie fordern nach einem Bericht des Tagesspiegel, Schwarzfahren nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und Hartz-IV-Empfänger kostenlos fahren zu lassen.
Wäre Schwarzfahren kein Fall mehr für die Strafgerichte, würde das nach Auffassung eines Richters “unglaubliche Kräfte freisetzen”. Derzeit seien viele Ressourcen mit der Verfolgung von Ticketsündern gebunden. Das gilt auch für die Gefängnisse. Schon länger ist bekannt, dass in der Berliner Justizvollzugsanstalt Plötzensee ein Drittel der Gefangenen wegen Schwarzfahrens einsitzt. Das kostet den Steuerzahler laut Tagesspiegel rund 80 Euro pro Tag.
Mutig finde ich den Vergleich des erwähnten Richters, wonach Schwarzfahren auch nichts anderes ist, als wenn ein Autofahrer sein Auto parkt und keinen Parkschein zieht. Jedenfalls führt das zum Kern der Frage, der schon seit jeher diskutiert wird: Wieso sorgt der Staat für “Abschreckung”, bloß damit Verkehrsbetriebe weitgehend auf Eingangskontrollen in den Bahnhöfen oder sonstige effektive Ticketsysteme verzichten können?
Diese offensichtlich gewollte Quersubvention stellt Juristen seit jeher vor Probleme. Der Straftatbestand selbst sah so was nämlich gar nicht vor. Er heißt “Erschleichen von Leistungen”. Dass heute jeder Fahrgast einfach so in Busse und Bahnen einsteigen und mitfahren kann, passt schon nicht zum Begriff des Erschleichens. Denn dieser hat mit Tricksen, Tarnen und Täuschen zu tun. Generationen von Richtern haben sich damit beholfen, dieses Erfordernis auszuhebeln. Sie gingen und gehen nach meiner Meinung über die Grenze des Wortlauts hinaus, indem sie postulieren, es genüge für ein Erschleichen auch, wenn sich jemand “den Anschein des Ordnungsgemäßen” gebe.
Man müsste sich eigentlich nur darauf besinnen, dem Gesetz die gewollte Bedeutung zuzugestehen. Schwarzfahren wäre dann nur möglich, wenn jemand funktionierende Kontrollen aktiv umgeht. In Zeiten der “Near Field Communication” müssten das ja auch keine Drehkreuze mehr sein.
Der Ball läge dann im Spielfeld der Verkehrsbetriebe. Und die Justiz hätte mehr Zeit, sich um die wirklich wichtigen Fälle zu kümmern.
Ansonsten finden sich alle möglichen Argumente auf www.schwarzstrafen.de.vu
Nach kurzem Studium meine ich zu erkennen, dass meine Vermutung, dass die Kosten zum eintreiben der Fahrscheine recht hoch sind haltlos sind! Sie decken je nach Region 30-70% der direkten Kosten. [...Gehrke.pdf (Link von Herrn Zeun)]
Wenn, wie in den gennannten Beispielen, lediglich die aktuellen Fahrgäste das Angebot öfters nutzen, dann hat das keine Entlastung der Straßen zur Folge. Diesen Sachverhalt stelle ich persönlich jedoch in Frage (vielfahrer haben 'eh Monatstickets).
Zumindestens mittelfristig wird es eine Entlastung geben. Ist schon klar, dass ein Autofahrer nich von heute auf morgen sein Auto stehenläßt. Allerdings wenn nach einigen Jahren "bis dass der TÜV uns scheidet" eintritt, dann wird die Überlegung sicherlich dahin gehen, ob die Neuanschaffung vor dem Hintergrund kostenlosen Fahrens mit ÖPNV denn noch Sinn macht.
Erst dadurch wird es nach und nach eine Entlastung geben. (Zeithorizont: 20 Jahre).
Außerdem muss man sich als ÖPNV-Nutzer einen anderen Lebensstil angewöhnen. Schließlich muss man sich aktiv mit dem Fahrplan auseinandersetzen und seine Zeitplanung danach ausrichten. Dazu ist nicht jedermann bereit!
Ihre Aussage, Herr Bergstedt, "Ein Drittel der Insassen" bezog sich lt. dem Blogeintrag auf ein einzelnes Gefängnis. Ihre Aussage hatte auf mich den Eindruck gemacht, es bezog sich auf sämtliche Gefängnisse in Berlin.
Nichtsdestotrotz bin auch ich der Meinung, dass die Anwendung des Gesetzestextes "Erschleichung einer Leistung" hier auch tendentiell in Richtung Rechtsbeugung zugunsten eines Exempels geht. Ein Exempel verfehlt jedoch sein Ziel, wenn es immer und immer wiederholt angewendet wird. Dann ist es wohl eher Machtausübung pur!
Im Übrigen ist die Webseite www.schwarzstrafen.de.vu in einem derart schlechten Zustand (unleserlich, unübersichtlich), dass ich mir deren Studium entsage. Ein Relaunch rate ich Ihnen dringend an. Sie erinnert mich an meine ersten Versuche von Webseiten-Programmierung vor 15 Jahren. Schade um den (sicherlich guten) Inhalt.
Ich möchte noch einmal auf einen Satz meines Kommentars vom 07.02.2015 zurückkommen.
Wo bleiben die hier in der Onlineausgabe öfters auftretenden Vertreter von Fahrgastverbänden (oder auch von Fahrradvereinigungen, Naturschutzverbänden, Kommunalpolitiker ....) in der Kommentarkolonne?
Bei dem Artikeleinsteller ist doch zu erwarten, dass er bei diesem Thema verstärkt das Augenmerk auf staatliche Repressalien lenkt. Das ist sein gutes Recht (was ich ihm ja auch nicht absprechen will), aber für mich ist im Bereich des Machbaren / des Realistischen, dass sich eine Bewegung "Null-Tarif für den ÖPNV" formiert.
Eine so genannte 1-Punkte-Bewegung, welche von Menschen getragen wird, welche ausser dem einen Punkt politisch Wenig bis Nichts eint. Sicherlich gibt es ernst zu nehmende Argumente gegen solche Ein-Punkte-Bewegungen, aber als "alter Freund" des OEPNV halte ich - bei der immer größer werdenden Unzufriedenheit weiter Kreise der Bevölkerung mit dem was ich immer "herrschenden Block" nenne - dafür "die Zeit gekommen".
(Manche Sachen brauchen halt ein bischen. Ich möchte daran erinnern, dass Mitte der 70er diese Forderung von einem kleinem Teil der Bevölkerung (unter dem Stichwort "Rote-Punkt-Aktion) versucht wurde "auf die Tagesordnung zu setzen".)
Wie wäre es mit einerPetition z.B. auf change.org ?
Ein Aspekt wurde übrigens nicht erwähnt: Die Verzögerungen,
wenn mehrere Leute beim Busfahrer eine Karte kaufen.
Ich fand beim ersten Lesen die Idee verrückt, nachdem ich diese Diskussion verfolgt und mich informiert habe, finde ich, Herr Bergstedt hat Recht.
Gut (bzw. nicht so gut, aber das kann ich ja nicht ändern ....) es melden sich keine Leute von den Fahrgastverbänden. Ich vermute einmal, das Thema ist den Damen und Herren "zu heiss".
Wenn - wie ich ja vermute - die "Zeit reif ist für den Nulltarif im Nahverkehr", dann sollten die (potentiellen) Mitstreiter überlegen, wie die Forderung Realität werden kann.
Das Vorgehen des Artikeleinstellers ("Zwei Strafprozesse - Bergstedt steht am 3. und 5. März in Gießen vor Gericht. Der zweite Termin ist bereits die zweite Instanz.") ist sicher keine Ein-Mann-Werbeschau, sondern der Versuch über eine (in meinen Augen etwas gewöhnungsbedürftigen) Form der Provokation ein Thema auf die "öffentliche Agenda" zu heben.
Ich denke der örtliche Ansprechpartner wären die Stadtverordneten. Diese könnten ja - zumindest theoretisch - den Nulltarif einführen. Also müßten die diversen Fraktionen mit der Forderung konfrontiert werden und um die Einbringung eines dementsprechenden Antrages gebeten werden.
Der Antrag würde mit hoher Wahrscheinlichkeit abgelehnt, also müßte schon vorher geklärt werden (die Fristen sind knapp), ob genügend Aktive für ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid zusammen kommen würden.
Mit anderen Worten: etwas fordern ist eine Sache - etwas durchzusetzen eine andere.
(Bitte nicht falsch verstehen ich bin dafür es zu machen, aber ich bin auch dagegen Illusionen zu nähren. Politische Arbeit ist nun einmal ein "hartes Brot".)
Die Idee ist super, aber natürlich nicht neu. Ob allerdings Herr Bergstedt der richtige Vertreter ist? Ich glaube, und das bestätigen die Menschen die ihn kennen, dass er ein Schmarotzer ist der sein Handeln mit politischen Ideen verbrämt um ohne Arbeit durchs Leben zu kommen - siehe auch die entsprechenden Internetdiskussionen.
Oh, dass ist ja spannend - wer kennt mich denn so gut, dass solche Aussagen möglich sind? Und da ich ja gerne dazulerne: Bei wem schmarotze ist denn und wie? Würde mich ja mal interessieren, bislang weiß ich nichts davon ...
"Entsprechende Internetdiskussionen" ist auch keine besonders seriöse Quellenangabe ... aber vielleicht soll der Beitrag auch nur ablenken.
Bitte achten Sie darauf, einen offenen, freundschaftlichen und respektvollen Umgang miteinander zu bewahren. Wir akzeptieren keine persönlichen Beleidigungen oder ähnliches.
@ Herr Epstein: schon gelesen?
Wenn Sie entsprechende Ansichten haben, dann können Sie diese auch in weniger drastischer und abwertender Weise formulieren.
Bitte keine ausufernde Diskussionen um einzelne Personen, welche Artikel und / oder Kommentare einstellen. Ich denke Herr Bergstedt ist mit seinen Vor- und Nachteilen allenhalbend gut bekannt.
Am 11.2. hatte ich inhaltlich etwas geschrieben; vielleicht kann daran angeknüpft werden (aber es gibt ja auch andere inhaltlich gut begründete Kommentare die lohnen "verfolgt" zu werden).
freut mich, dass Sie meinen Artikel lesen. Sind Sie schon Bürgerreporter der Gießener Zeitung?
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Sonntag 14. Februar. Wetter kalt es hatte geschneit, aber die Straßen...
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